Mittwoch, 6. Mai 2020

Party-People

Liebe Annika,

na, Du traust Dich aber was. Gehst einfach auf eine Party. Eine Alte-Schachteln-Party. Und tust so, als wäre das keine große Sache. Dabei weiß doch jeder, dass diese Partys die allerwildesten sind. Scheint auch, als wäre das von langer Hand vorbereitet gewesen. Diese laute Telefonklingelei und der ohrenbetäubende Anrufbeantworter waren doch nur der Versuch, die Nachbarn zu täuschen. Es sollte niemand merken, dass sich vier Frauen (VIER!) zu einer Party zusammengefunden haben.

Dabei fällt mir ein Song aus meiner frühen Kindheit ein, als ich noch im Kinderkirchenchor trällerte, was ich aber nur tat, weil ich dringend in der Kirche singend, hinten oben auf der Orgelempore stehen wollte.
"Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen...", den Rest weiß ich nicht mehr. Die Melodie aber, die ist mir glasklar im Kopf. Vermutlich den kompletten Tag über. Prima.

Hattest Du denn überhaupt keine Sorge, dass das Ordnungsamt kommt und Eure illegale Versammlung beendet? Wieviel kostet das in Berlin, so ein Verstoß gegen die Kontaktsperre? Ich habe das einmal kurz recherchiert.

Wenn Du in Berlin die 1,5 Meter Abstand einhältst, dann dürfte ein Treffen nicht regelwidrig sein. Aber nur mit einer Person im öffentlichen Raum. Daraus folgere ich:
Eine Wohnung ist kein öffentlicher Raum, womit sich die Beschränkung auf eine Person nicht halten lässt. Ihr durftet also offenbar zu viert zusammenhocken, wenn Ihr entsprechend weit auseinandersitzen konntet.
Quizfrage: Welche Größe muss eine Wohnung mindestens haben, dass 4 Personen jeweils im Abstand von 1,5 Metern zueinander sitzen können?

25 bis 500 € kostet übrigens eine Annäherung auf unter eins fuffzich.

In Nordrhein Westfalen, um es zu präzisieren: hier im Kaff, fährt das Ordnungsamt Patrouille. Ständig kurven die kleinen blauweißen Möchtegern-Sheriff-Kutschen umeinander und schauen, dass keiner der dreitausend Leutchen vor Ort als Super-Spreader fungiert. Und im Rahmen dieser überaus wichtigen Aufgaben werden auch schon einmal Kinder auf der Straße angesprochen.
Die Nachbarskinder, seit Jahren leben sie Haustür an Haustür, spielen schon immer zusammen. Und die Eltern teilen sich viele Aufgaben. Weil beide Einzelkinder sind, hat sich da etwas Geschwisterliches entwickelt. Die beiden Schnuckis, 8 und 10 Jahre alt, waren zusammen auf der Straße und haben gespielt, da hielt das Ordnungsamt und fragte mit mahnend erhobenem Finger: "Seid ihr Geschwister?"
"Ja."
Und dann fuhren sie wieder.

Wenn Du also noch einmal auf eine heimliche und wilde Alte-Schachteln-Party gehst und das Ordnungsamt kommt vorbei, sag einfach: "Wir sind Schwestern!".
Irgendwie stimmt das ja auch. Alte Schachteln fühlen sich doch mitunter sehr schwesterlich verbunden.

Ich werde jetzt schnell mit dem Hund in den Wald huschen, bevor die Horden, angetrieben vom Sonnenschein, aus der nahen Stadt strömen und wieder einmal die Waldwege verstopfen, wodurch ich permanent gegen geltendes Recht verstoßen muss, um an ihnen vorbeizukommen. Ich könnte auch hier einmal geometrisch ausloten, in welchem Abstand die Leute auf einem drei Meter breiten Waldweg zueinanderstehen müssen, damit ich ohne Verletzung der Abstandsregeln an ihnen vorbeigehen kann. In der Realität lauf ich mittendurch. Aber zu meiner Verteidigung: Ich halte dabei die Luft an.

Ansonsten geht`s.

Deine Lavendel

7 Kommentare:

  1. Was sind das für Zeiten? So war es wohl auch in der Nazizeit, nur die Strafen sind nicht so... Aber Blockwarte gibt es zuhauf.

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    1. Ja, in jedem Deutschen steckt ein kleiner Gauleiter

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  2. Liebe Frau Lavendel, liebe Annika, erstmal Glückwunsch zu diesem Neustart, der mich mehr als freut! Doppelt so viel Lesespaß!
    Und was selbst ernannte Sheriffs und Co betrifft, die gibt es bei mir zu Hause auch. Die stören sich aber nicht an evtl. eigentlich nicht gestatteten Zusammenkünften nicht Verwandter sondern eher an allen, die nicht das Einheimische Kennzeichen fahren. Die könnten aus Feindesland kommen. Und das mein Wohnort eher klein ist (man könnte auch sagen eine Insel) sind wir umgeben von potenziellen Feinden und Unheilbringern. Dass hier die Aufpasser noch nicht mit Heugabeln bewaffnet auf friedliche Menschen losgegangen sind, die lediglich nach ihrem 2. Hab und Gut sehen wollten oder die Natur genießen wollten, die es in der Stadt evtl. nicht gibt, ist ein Wunder. Demnächst wird das wieder erlaubt sein - offiziell. Das wird die Lager noch mehr spalten. Die einen möchten bis Jahresende alleine bleiben und haben Angst vor jedem Fremden (alles wiederholt sich....irgendwie) und jeder könnte ein Virenträger sein, jeder. Wer nicht dieser Meinung ist wird als Aluhutträger (das Wort kannte ich gar nicht) verspottet und bepöbelt in den Netzwerken.Ich finde dieses Verhalten ganz, ganz übel. Wer arbeiten möchte, wird als Unheilsbringer verschrieen, der nur an das Geld und nicht an die Gesundheit denkt. Ich gestehe, manchmal denke ich klischeehaft, dass diese Menschen doch nur entweder blendend situiert sein müssen (glaub ich aber nicht wirklich) oder eh schon vorher Stütze kassierten oder Rentner sind. Das es auch krank machen kann, wenn nichts mehr annähernd normal sein darf, darüber verliert keiner dieser Menschen auch nur ein Wort. Wie einsam die Einsamen jetzt erst recht sind, wie wenig verlockend die Aussicht von Singles, die die passende Hälfte suchen....wie man bitter evtl. seine Entscheidung überdenkt, doch endlich mal mutig zu sein und sich selbstständig zu machen...
    Aber darüber darf man nicht laut nachdenken, jedenfalls nicht bei uns.
    Unterhaltet mich (und alle anderen natürlich) bitte weiter so vortrefflich, dann kann ich wenigstens partiell vergessen, wie sehr das schlechteste im Menschen derzeit zu Tage tritt!
    Eure Hedi

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    1. Liebe Hedi, da zeigen sich doch wieder die Vorteile einer Großstadt. Die Bekloppten gehen in der Menge unter und fallen nur auf, wenn man sie unbedingt sehen will. In so'nem Dörfchen sieht man Volkes Seele (in Teilen) wohl deutlicher brodeln.

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  3. Hallo ihr zwei,
    schöne Idee mit dem gemeinsamen Blog.
    Also ich habe ja einen großen schwarzen Hund ( 62cm Schulterhöhe ) und habe NIE Probleme mit dem Abstand, hihi:)

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  4. Die Luft anhalten, wenn man unter Menschen geht! Wieso hat es dieser beste aller Coronatipps noch nicht ans RKI geschafft?! Obwohl, die brauchen ja immer länger.

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    1. Du, wenn dieses extrem-atming Jogger mit ihren Aerosolen an mir vorbeisprinten, weiß ich mir auch nicht anders zu helfen.

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