Sonntag, 13. Juni 2021

Dramadichte durch untreue Ehemänner und Zweitimpfungen

Whow, dein Mann treibt's auf die Spitze.

Aber gestatte mir, Teuerste, dass er wirklich nur deshalb in eurem Haus die Kommunikation zu dir einstellt, um sie mit der Brotspinne vor deinem Auge und Ohr zu intensivieren, weil du ihm das erlaubst, vollkommen sanktionsfrei und ohne jede Rücksicht auf deine Befindlichkeiten trampelt er jeden Tag aufs Neue auf deinem Herzen herum, macht aus der Mutter seiner Kinder einen Menschen, dem er nicht den geringsten Respekt zu zollen bereit ist. Und die Kinder sehen das auch, musst du wissen.

Was immer dich davon abhält, zurückzubrüllen und ihn hochkant vor die Tür zu setzen - du wirst deine Gründe haben, die niemand sonst verstehen muss. Dennoch mein Rat: warte nicht passiv ab, bis diese Memme eines Tages womöglich doch die Kraft findet, dich zu verlassen. Du würdest spätestens zwei Jahre später unverzeihlich finden, dass du ihm lediglich waidwund geschossene Rehaugen geboten hast als Antwort auf all diesen Scheiß. Und würdest dich weitere zwei Jahre mit Fantasien beschäftigen, was du stattdessen alles hättest sagen und tun müssen. 

Das bindet ja alles unnötig Energien, die du besser in deine Karriere stecken solltest, oder meinetwegen in die Selbstoptimierung oder weitere Schutzimpfungen oder in Spontanreisen nach Berlin. 

Themenwechsel: ich bin auch zum zweiten Mal geimpft worden und was soll ich dir sagen? Ich habe einen 1 A Notfalleinsatz hingelegt. Eine Minute nach der Spritze wurde mir auf einmal brüllend heiß, das fing in den Fußspitzen an und ging in Lichtgeschwindigkeit hoch in jede Haarspitze, mein Herz fing an zu hämmern, mir wurde schwummerig - aber dank kenntnisreichem Einsatz von Schulmedizin beruhigte sich von einer Minute auf die andere alles in mir, als ob nie was gewesen wäre. Absolute Ruhe nach dem Sturm in mir. So stelle ich mir einen Horrortrip vor. 

Den Rest des Tages habe ich zittrig auf dem Sofa gelegen. Naja, da war die Wirkung der Usedom-Woche gleich ein bissel neutralisiert, muss ich dir sagen - aber ich will mich absolut nicht beklagen, weil ich immer noch froh bin, dass meine bhdw (=beste Hausärztin der Welt) das in den Griff bekommen hat. 

Es gibt noch weitere Neuigkeiten, aber für heute reicht's erstmal, nicht wahr?

Sei umarmt, mein Goldstück

Deine Annika

Samstag, 12. Juni 2021

Flying high

 

Meine Liebste, 

Usedom! Am Meer. Im Urlaub! Ich bin begeistert. Wie gern würde ich mich auf mein Pony schwingen und zu Dir geritten kommen. Wir würden uns in einem Strandkorb verlustieren und dabei kühle Getränke zu uns nehmen. Wenn es nicht regnet. Selbst wenn, dann würden wir warme Getränke konsumieren. 

Hach, wie schön das wäre. Und wir würden Bücher tauschen.

 Ich könnte Dir anbieten: 

„Kingsbridge“ vom ollen Folletts Ken. Ich würde es Dir auch nur anbieten, aber nicht empfehlen, denn ich lese es schon seit 3 Wochen, bin auf Seite 93 und fand es bereits auf Seite 20 erbärmlich. 

Wenn ich bedenke, dass dieser Vogel Millionen dafür bekommt, frage ich mich, warum? Die Figuren sind alle schon einmal da gewesen, es ist langweilig, der Stil ist lahm, es wirkt ungelenk geschrieben. 

Edgar, Eadbald, Erman, Dreng, Den, Degbert, Wigelm, Wilwulf, Wynstan, Gab und Blod. Es tummeln sich Figuren, noch und nöcher, ich kann sie mir nicht merken. Ich glaube, Ken konnte das auch nicht. Gleich am Anfang tauchen die drei Brüder auf, wie hießen sie noch gleich? Nicht Tick, Trick und Track, so ähnlich. Egal. Ich würde es Dir anbieten. Kannst aber auch Kraniche aus den Seiten falten. Oder einen feinen Joint drehen. Mir egal. Ich werde es vermutlich nie fertig lesen


„Vom Aufstehen“ von Helga Schubert. Die Follett-strapazierten Windungen lehnen sich aufatmend zurück und sagen: Danke. Besser. 

Und wie wäre es mit Sachliteratur? „Die Macht der Affäre“ von Esther Perel.  Ich möchte mich ja weiterbilden, was den Bereich des Betrügens, Betrogenwerdens und allem, was dazugehört angeht. Und gern aus Therapeutensicht. 

Wirklich ans Herz legen würde ich Dir aber „Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke für den Hausbedarf der Leser“. Für jedes schlimme Weh passende Worte. 

Seeluft ist aber auch unschlagbar für die Gesundheit. 

Meine wurde etwas strapaziert durch die zweite Impfung. Der Arm war ganz schön schwer und einen Tag lag ich auf dem Sofa herum. Natürlich erst nach der Arbeit. Dort hatte ich mich hin- und durchgeschleppt, was aber für mich in Ordnung war. Denn früher war es viel schrecklicher. Krank sein und trotzdem mit drei kleinen Kindern zuhause, das war übel. Dagegen ist Impfnebenwirkung in Kombination mit Arbeit richtig pillepalle. 

Aber nun bin ich durchgeimpft. Bisher hat mich keine Stimme im Kopf höflich darum gebeten, etwas unbotmäßiges zu tun. Und das Handy hat keine Macht über mich. Also nicht mehr als vorher. Mir wächst nur der ganz normale Bart (Brüste? Bei Männern? Erinnert mich daran, dass ich früher so gern mal dicke Brüste berühren wollte, die Männer, die ich berührte aber für dicke Brüste noch viel zu jung waren, und wie das jetzt in meinen Kopf kam, kann ich erklären, mit dicken Männerbrüsten hast eindeutig Du angefangen. Also echt.) und kein Ringelschwänzchen (keine weiteren Asoziationskettten  von mir für Dich, mach Dir selber welche.).


Jetzt hoffe ich, dass mir eine Infektion mit welcher Variante auch immer erspart bleibt. Ob ich jetzt irgendwo hinein darf, ob Land, Laden oder Restaurant, ist mir ziemlich egal. Ich möchte nur einfach keine 40 Grad Körpertemperatur bekommen. Das hatte ich schon einmal im Rahmen einer HIB- Infektion. Zusammen mit drei Kindern. Gab Lungenentzündung für alle durch diese ollte Bazille und nur einer war gesund geblieben. Der konnte jeden Tag dreimal durch das Haus laufen, mit gezücktem Löffel, und Schlangensaft verteilen. 40 Grad Temperatur ist für meine Nerven zuviel. Die feuern dann elektrischen Bullshit durch mein Hirn, mein Restkörper reagiert mit infantilem Verhalten (Verweigerung der Mitarbeit in der Muskelbewegung und solche Sachen), das möchte ich nicht noch einmal erleben. Wochenlang habe ich herumgekrepelt, bevor ich einigermaßen einen Schritt vor den anderen setzen konnte. Und dieses Geröchel wegen der Kurzatmigkeit will ich gar nicht mehr erinnern. Da blähen sich immer die Nasenflügel auf, weil sie versuchen, jedes Sauerstoffatom durchzulassen, das nur geht, damit die Grundversorgung nicht komplett den Bach runtergeht. 


Aber lass uns bitte das Thema wechseln. Wir könnten uns zur Abwechslung einmal dem Ehemann zuwenden. Und der Brotspinne. Denn denke nicht, dass hier der eitle Sonnenschein ausgebrochen wäre. Eine Bilderbuchehe. Ein Happy End. Mitnichten. Es bleibt belastend. 

Meine Gebetsmühle dröhnt wieder laut in meinem Kopf. Sie rumpelt und pumpelt ganztägig:

„Ach, täte er doch mehr reden.“ jault die eine. „Never ever, das weißt du!“ kreischt  Nummer zwei. Und so plärren sie sich an und ich hocke dazwischen. Wie schön die Momente, in denen Ruhe ist, weil ich mich auf der Arbeit mit komplizierten Dingen befasse. Rechenaufgaben zum Beispiel. Dieses Wochenende habe ich mir sogar eine mit nach Hause genommen, weil es mich so trefflich ablenkt davon, dass ich mit einem Schweigefuchs verheiratet bin. 

Wobei, Worte hat er schon. Nur nicht für mich. Für die Brotspinne sehr wohl. Wobei, kürzlich fand ich ihn in tiefem Kummer versunken. Ich glaube, die Brotspinne hat ihm gesagt, es reicht jetzt mit der Whatsappbeziehung. Ja, ich habe seine Tränen gesehen, mich anbrüllen lassen, ich solle ihn in Ruhe lassen, bin davongeschwebt, leise, still und lächelnd. Und gönne ihm jede Träne, gönne ihm allen Schmerz dieser Welt. Und reiche ihm gern ein Salzfass, mit dem er sich die Herz-Wunde würzen kann. Oder eine Chilischote, wenn er sich die tränenumflorten Augen reibt. 

Seitdem schwebe ich dauerhaft. Betrachte alles von recht weit oben. Und frage mich, wann ich den Schritt tue, ganz heraus aus unserer Gemeinsamkeit. 

Denn ich muss keine Angst haben. Vor nichts. Den schlimmsten Schmerz hatte ich schon. 

Und weil es gerade so schön ist, dieses Gefühl, das ich habe, ende ich und höre ein bisschen Rocket Man. 

Liebste Grüße von Deinem Schwebeteilchen



Donnerstag, 3. Juni 2021

Usedom is calling

Corona-Sommerurlaub: Niedersachsen verfolgt furiosen Plan - weiteres  Bundesland zieht mit | Welt

Mein Augenstern,

bevor ich morgen nach Usedom enteile, beginne ich meinen ersten Urlaubstag, dir endlich zu antworten.

So eine Augenuntersuchung hatte ich auch mal, wo einem was reingetropft wird. Das war ganz furchtbar für eine Hypochonderin wie mich, die jeden Mini-Pups in ihrem Körper beobachtet und beachtet, als würde Armageddon ausbrechen. Nicht nur, dass man über Stunden kein Licht mehr ertragen kann, die ganze Welt wabert um einen herum und gerät aus den Fugen. Es waren schlimme Stunden. Seither war ich sicherheitshalber auch nie wieder beim Augenarzt. 

Aber wie wir neulich schon spruchen: nie zum Arzt gehen ist auch keine Lösung, wie ich nun feststellen musste. Ab einem bestimmten Alter muss auch ein Schisser wie ich mal hin, sonst rächt sich das und man hat den Salat. 

Anyway: das Leben birgt so einige Überraschungen gerade. Ganz tolle, unerwartete Sachen passieren. Und einige saublöde. So hält sich das die Waage - und nun wird endlich Sommer und ich summe wie eine geschäftige Biene wieder los und bevölkere die Außengastronomie. Herrlich! Bald bin ich zum zweiten Mal geimpft und ich bin froh, dass ich kein junger Mann im Alter 16-19 bin, denn die bekommen 'vom guten Zeug' Herzmuskelentzündungen, wie ich eben in der Zeitung lese.

Ich war sogar auf Stippvisite bei meinem Mütterlein, als Überraschung. Eine Freundin fuhr für eine Nacht nach Goslar und ich bat sie, mich im Kaff abzusetzen. Eine halbe Stunde vor Ankunft rief ich meine Mutter an, sie solle mal den Kaffee aufsetzen, in einer halben Stunde sei ich da. Sie hat beinah einen Herzinfarkt vor Freude bekommen (Lernkurve: das nächste Mal etwas früher anrufen, sonst wird sie doch nicht 100). Mit jeder Menge Holunderbeergelee ging's wieder zurück nach Berlin.

Ihr zu Ehren habe ich meinen ersten Schnelltest gemacht. Verrückte Welt: in diesem windigen Frühjahr steht man vor Zelten herum, füllt wehende Fragebögen aus, lässt sich von 19-21 jährigen Menschen in der Nase herumbohren und drückt sich dann 10 Minuten vor Schaufenstern herum, bis man sein Zertifikat abholen kann, um Dinge zu tun, über die man sich früher keine Gedanken gemacht hat. 

Gestern war ich live dabei, wie ein Mann ein positives Ergebnis verkündet bekam. Er nahm das bedröppelt und tonlos entgegen und dann wurde er gebeten zu warten (worauf nur?) und sich etwas abseits zu stellen. Als ich nach 10 Minuten mein Ergebnis abholte, stand er noch immer abseits. Eigentlich geht das aus Datenschutzgründen gar nicht, so eine Diagnose in aller Öffentlichkeit, hörbar für alle Umstehenden - oder bin ich da zu empfindlich?

Wenn's dich die nächsten Tage zufällig nach Usedom verschlägt - ich hätte nix dagegen. Wo wir nun schon mal beide Urlaub haben. Ich bin mit einer Freundin in einer superschönen Luxus- und coronagemäßen Wohnung eingebucht: 2 Schlafzimmer, 2 Bäder, 2 Balkone plus ein riesiges Zimmer der Begegnung in einer dieser alten Villen mit Meerblick. WLAN soll's geben, aber auf Usedom funktioniert das nie. Ich nehme alle ungelesenen Bücher mit:

Ella Werner: Der Untergang des Abendkleides
Alexander Gorkow: Die Kinder hören Pink Floyd
Curtis Sittenfeld: Hillary
Juli Zeh: Über Menschen

Das wird fein!

Nun zur Beantwortung: 

1) Die Tochter hat heute die Mathe-Abiklausur erledigt. Hauptsache keine sechs. (Meine Rede seit '45)

2) Meine Hormone machen absurde Sachen mit meinem Körper (Bart? Bauchweh? Blutsturz?) (Vor allem das mit dem Bart, ich muss schon andauernd zupfen. Aber Männer bekommen Brüste, auch nicht schön)

3) Ich habe mir eine Geschichte über einen sehr langen und sehr dicken Regenwurm ausgedacht. (Der Seelenklempner hätte eine Freude an dir)

4) Ich bin halb geimpft. (Me too. Erstimpfung komplikationslos)

5) Die Brotspinne verliert an Konturen für mich. Aber nicht nur sie. (Ich gratuliere. Du bist auf dem Weg der Besserung)

6) Ich möchte mehr schreiben, aber ich weiß gerade nicht, wie das geht. (Mir geht es leider ähnlich. Wird schon wieder)

Und danke für den unglaublich guten Rat deines Augenarztes. Ich werde ihn beherzigen, so gut es geht.  

Stets die deine
Annika