Dienstag, 30. Juni 2020

Family Business

Ach, liebe Lavendel,

es gibt Momente, da beneide ich dich nicht und genieße mein Leben als Luxusweib, das sich alle paar Jahre den Maler-Nachbarn von nebenan rekrutiert und den alles streichen lässt, während ich das Wochenende nach Paris Baddeckenstedt entschwinde. 

Eine Tortur ist das: streichen bei Gluthitze. Und das ist es ja schon bei 14 Grad. Und den Umzugswagen besorgst du auch noch? Fährst ihn womöglich? Mein Liebe, es ist was faul im Staate Dänemark. Ich glaube, deine Brut hat nicht verstanden, dass du ein lebend Ding bist. Oder du selbst hast es so gut verborgen und springst allzeit bereit in jede Bresche, die sich dir in den Weg stellt, dass die glauben, dir mache das unbändigen Spaß.

Was es ja evtl. auch ein ganz klein bisschen macht? Wenn ich immerzu mein kleines Familienunternehmen am laufen halten und retten müsste, erfolgreich dabei wäre, hielte ich mich im Lauf der Jahre womöglich auch für unbesiegbar und mit ewig haltendem Treibstoff ausgestattet. Dein Nachwuchs jedenfalls nimmt das offenbar an. 

Später mehr, meine Liebe. Denn auch ich muss jetzt los, die Welt retten. 
Deine Annika

Samstag, 27. Juni 2020

Vom Streichen und Geflügel

Liebste Annika,

Ganz sicher hast du Dich schon gewundert, in welchem Loch ich verschwunden bin. So ewig, wie ich mich nicht gemeldet habe. Aber ich sage Dir, ich habe die Woche des Grauens hinter mir. 
Der ältere von den Söhnen ist umgezogen. Und hatte das wunderbare Glück, sowohl bei Auszug aus der alten Wohnung als auch bei Einzug in der neuen Wohnung zu renovieren. Da er es nicht schaffte, einen Spagat über 109 Kilometer hinzubekommen, bin ich in meiner Eigenschaft als IchKümmerMichUmAllesHansel in die Bresche gesprungen und habe im Schweiße meines Angesichts, und Du darfst das ruhig wörtlich nehmen bei den Temperaturen, die alte Bude geschrubbt, gestrichen, aufgepluscht. Nicht ganz uneigennützig, habe ich doch ein großes Interesse an der Kautionsrückzahlung, da diese sofort in meinem Portemonnaie verschwinden wird. 
In der neuen Wohnung mussten lila und braune Wände geweißelt werden, da hatte ich mit weiß auf weiß eindeutig den leichteren Job. 
Gut, es gab einige innerfamiliäre Verwerfungen bezüglich der Mithilfe anderer Familienmitglieder. Da ließ das Engagement eindeutig zu wünschen übrig. So sehr, dass ich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit dem Vater des Sohnes eine sehr klare Ansage machen musste. Denn immerhin bin ich, wie Du ja weißt, ein Mensch mit Rücken und anderen Gebrechen, weshalb ich auf meine Belastungsgrenzen achten sollte. Was ich aber manchmal nicht tue. Diese Woche jedenfalls nicht. 
Integraler Bestandteil der Ansage war, sich eine Brechstange zu nehmen und das olle Laminat aus der Wohnung zu entfernen. Dann lief es. Männer brauchen immer einen ganz klaren und detaillierten Arbeitsauftrag. Sonst läuft nix. Meine Einwürfe bezüglich Verantwortungsgefühl, Einsatz, Kümmern ohne Auftrag, aus sich selbst heraus, wurden mit gerunzelter Stirn und leicht wippendem Kopp angehört. 

Hätte ich Gedanken lesen können, wer weiß, was ich dann gehört hätte. 
„Ochnäää, die schon wieder. Meckermaulmosermotz. Ich muss noch Gitarre spielen. Oh, hätte gerade so Bock auf ein Bier. Hm, ich glaube die Platte hab ich schon lange nicht mehr gehört. Und die auch nicht. Ich könnte mal wieder zum Frisör. Was hat sie gesagt? Oh verdammt, jetzt guckt sie wieder so. Ich muss was sagen. Was sag ich nur? Erst mal tief atmen und den Kopf ein bisschen bewegen. Jetzt so tun als ob…!“
So etwas in der Art? Wer weiß.
Heute war dann Möbelverschiffen angesagt. Früh stand ich vor der Autovermietung, um einen Wagen in entsprechender Größe zu besorgen. In Coronazeiten dauerts. Immer nur einer durfte rein und es saß auch nur ein Mitarbeiter in dem Laden. Vor der Tür standen aber an die 25 Leute, die ihre Karren abholen wollten. War ich froh, dass ich an sechster Stelle war. So dauerte es nur eine dreiviertel Stunde, bis ich die Kiste in Empfang nehmen konnte. 

Dann hin und her, Möbel schleppen, Trepp auf und ab. Und ich feuerte die Familie an. Denn ich hatte kein Bedürfnis, mich noch weiter zu zerstören. Ich bin doch nicht die CDU. Nichts habe ich geschleppt. Gar nichts. Fast. Aber an einer Holzlatte hebt man sich keinen Bruch. Und an einem Kissen auch nicht. Schon gar nicht, wenn man es einfach nur aus dem Fenster wirft. 
Nun ist aber alles erledigt und ich sehe ruhigeren Zeiten entgegen, ich naives Huhn. Am Horizont schwebt schon der nächste Umzug heran. Meine Schwester hat sich ein hübsches Paket Arbeit gekauft. Da werde ich sicher den Pinsel noch einmal in die Hand nehmen. 

Die neue Heimat des Burschen ist beschaulich und ruhig. Ich bin gespannt, wie es ihm auf Dauer gefällt. Wir sind nach getaner Arbeit noch an einen See gefahren, um dort ein Eis am Ufer zu schlecken. Das war familiäre Idylle pur. Der See war bevölkert von Wassergevögel, welches rund um den See alles zukackte. Kanadagänse kacken ja Haufen wie die ganz Großen. Auch die Enten hatten einiges zu bieten in Sachen Exkremente. Über dem See schwebte in perfekter Architektur eine Autobahnbrücke. Und am anderen Seeufer erblickte man eine hübsche Auswahl an Plattenbauten. Aber mit viel Wald drumherum. 
Der Vater der Kinder hatte einen Malagabecher. Finde ich grundsätzlich eklig aber nicht bedenklich. Normalerweise. Aber dieser Malagabecher war von einer Hundertschaft Rumrosinen überrannt worden. Ich sehe darin auch den Grund, warum er jetzt schon schläft. 
Das Bällchen Gummibärcheneis, für das sich der Mittelsohn entschied, war eine Ausgeburt der Hölle aber von wunderhübscher Farbe. Trotz dieser Umstände, aber vielleicht auch gerade deshalb, war es eines der schönsten Familienerlebnisse seit langem. Es gab viel zu lachen. 

Nur der Hund tat mir leid. Der war acht Stunden allein zu Hause. Und als wir wieder zuhause ankamen, geriet er aus dem Häuschen vor Freude. Wie lieb auch, dass er nirgendwo hingepieselt hat. Braves Tierchen. Der netteste Hund der Welt. So anders als die anderen Kläfftölen um uns herum. 

Ich mache jetzt die Augen zu. Denn meine Lider sind ganz schwer und schlapp. Und die Buchstaben hüpfen so seltsam herum. Schnell noch die Zahnbürste durch den Mund ziehen und dann erschöpft zusammenbrechen. 
Ich habe keinen Ventilator. Das Gebrumm würde mich irre machen. Aber danke für das Angebot. 


Gute Nacht. Deine Lavendel.

P.S.: Ich habe einen neuen Namen verliehen bekommen. Weil ich den großen Wagen fuhr (weil ich es einfach am Besten kann, das Autofahren, Du weißt ja, fast so gut wie Du), nannten sie mich Truckerin Sändy. Aber die Truckern Sändy hatte beim Fahren in der großen Stadt durchaus Schweißflecke unter dem Arm. Alles so eng, in der Stadt.


Donnerstag, 18. Juni 2020

The heat is on

Liebes Lavendelchen, 

hoffe, Rücken und Kopp geht es wieder besser und das lutschen von Lollis hat dir gutgetan.

Wegen der undankbaren Brut: was hältst du davon, nur noch für dich zu kochen? Und nur noch deinen Dreck zu entfernen? So'n innerfamiliärer Generalstreik? Wenn die sich benehmen, als ob sie in einer WG leben, kannst du das doch auch. Du sammelst von jedem wöchentlich 10 Euro ein und davon wird die Putzfrau bezahlt. 

Meine Perle war am Freitag da und hat angekündigt, sie komme erst in drei Wochen wieder, seitdem schwebe ich durch meine Wohnung und fasse nichts an. Nächste Woche soll es schon wieder auf die 40 Grad zu gehen, deutschlandweit, wenn nicht gar weltweit und da kann ich unmöglich den Haushalt in Schwung halten, ich muss die momentane Übersichtlichkeit konservieren, solange es irgend geht.

Das geht für mich natürlich einfacher als für dich, mit all deinen Blutsverwandten um dich herum, die bestimmt ohne Ende flusen. Und dann noch dein Hund dazu. 

Mein Leihhund muss bis auf weiteres auf mich verzichten, denn ersten ist unsere Home Office Zeit vorbei und zweitens, siehe oben, 40 Grad - ohne mich. 

Genießen wir also aus vollem Herzen, das kühle und regnerische Wochenende, das uns bevorsteht - wir müssen uns wappnen. 

Deine Annika
(PS: wenn du einen Ventialtor brauchst - bei mir gibt es die zuhauf)

Mittwoch, 10. Juni 2020

Lolli-Zeit


Liebe Annika,

das Virus hat sich erschreckt und ist darum geflüchtet, als es in meine Nähe kam. Das lag vermutlich an meinem schlunzigen Outfit. Den ganzen Tag im Schlabbanzug, da graust es das grausigste Virus. Oder war es der Virus? Und hat er sich verhalten wie der Paketbote? Der hat nämlich auch vergruselt aus dem Paketbotendress geguckt, als ich ihm die Tür aufgemacht habe. Mit oller Frisur und ohne Büstenhalter, dafür allerdings deutlich zu tief dekolletiert.Heißt das so? Ist mir jetzt auch wurscht. Ob das so heißt. Das Paket war nicht mal für mich. 

Was ist sonst noch los in meinem Leben? 
Nun, ich habe mal wieder Rücken und Kopp. Und viel zu enge Kniestrümpfe. Was das miteinander zu tun hat? Nichts. Aber das Kopfweh, das hat vermutlich mit dem Rücken zu tun, ich vermute eine widerliche Verspannung von der Ferse bis zum Haaransatz. Als meine Körpertante, sprich die Physiotherapeutin, letzte Woche versuchte, das ISG (Ileosakralgelenk, falls Du es genauer wissen möchtest, ganz unten am Rücken, also quasi fast am Arsch und so fühlt es sich auch an) zu mobilisieren, da habe ich einmal kurz gebrüllt wie ein Löwe und sie hat sich mörderisch erschreckt, so dass sie sogar kurz hüpfen musste. Wir haben uns dann beieinander entschuldigt. Sie sich bei mir für verursachte Schmerzen, ich mich bei ihr für verursachten Schrecken. 
Leider ist nichts besser und ich weiß, ich müsste Spocht machen. Meine Rückengymnastik. Ich weiß ja, wie es geht. Aber meine leicht depressive Grundstimmung verursacht mir eine Bewegungshemmung. Außerdem muss ich schon jeden Tag im Wald rumeiern. Wo ich jeden Baum kenne. Und jeden Busch. Jedes Moospolster, jeden Fingerhut, jeden Furz und jeden Firlefanz. 
Morgen früh muss ich nicht in den Wald, da geht der Mann. Da könnte ich natürlich zum Ausgleich auf die Spochtmatte springen und das Becken kreisen und den Schinkengang machen. Nur knallt mir justamente die Bewegungshemmung dazwischen. Einfach mal liegen bleiben. 

Möchtest Du wissen, was diese Grundstimmung verursacht?

Eigentlich handelt es sich um das andere Ende Deines Samstagabend-Realerlebnisses. 
Ich hocke genau auf der gegenüberliegenden Seite. Ich stehe nämlich morgens in der Frühe in der Küche, die aussieht als wäre darin ein Küchenchef samt Mannschaft im Drogenrausch eskaliert. 
Ich habe am Abend vorher gekocht, mit Pfiff und Anspruch. Und just als ich fertig war, bekam ich vom Mann erklärt, dass er noch gar keinen Hunger habe und nicht gedenke, jetzt etwas zu essen. Anschließend bekamen sich die eigentlich schon erwachsenen Kinderchen wegen irgendeinem Pillepalle in die Haare und das Frollein rauschte empört von dannen und ich saß mit dem Misjöh Zweitgeburt am Tisch allein, meine Laune war extrem grottig, ich starrte nur noch auf meine Teller, aß mein Portiönchen und verschwand dann auf hoher Aggressionsflamme köchelnd in mein Zimmer. In mein Stockwerk. 
Und am nächsten Morgen war die Küche unverändert. Ich stand nicht mal vor einem Regal, in dem Waren lagen, die ich hätte kaufen können, ich stand vor einer dreckigen Pfanne, kalten Essensresten und vergammelten Überresten von freudiger Erwartung, fröhlichem Kochen und glücklichem Familienleben. 

Weißte Bescheid. Ich vermute, das Gefühl ist dem Deinen recht ähnlich.

Jetzt lass mich doch noch überlegen, suchen nach etwas Schönem, mich Beglückendem. 

Ich habe eine Tüte mit Lutschern gekauft, bunte Lutscher, wie früher. Wenn ich mir davon am Abend ein bis drei reinziehe, dann geht`s. Dann komme ich durch. 


                                                              (Welches Schätzchen nehm ich nur?)

Übrigens muss ich dauernd über die Storchenklause nachdenken. Ich finde es sehr gewagt, ein Hochzeitsessen in der Storchenklause durchzuziehen. Aber ich habe ja auch drei Kinder. Wer weiß, wieviele es geworden wären, hätte es neben dem Rathaus eine Storchenklause gegeben. Ich wage nicht, es mir auzumalen. Elender Storch, elender. 

Ich nehme den mit dem gelben Rand. Und den mit dem rosa-grünen. Und das wird ganz sicher das heutige erotische Highlight. Damit dürfte alles gesagt sein für heute. 

In diesem Sinne ewig die Deine.
Lavendel



Dienstag, 9. Juni 2020

Brandenburgische Standesbeamtinnen

Lavendelchen, du wirst doch nicht etwa vom Virus aufgestöbert worden sein und liegst nun darnieder, unfähig, einen Laptop auf den Knien zu balancieren und dir etwas Heiteres aus den Fingern zu saugen? Na? Muss ich mir Sorgen machen???

Unsereiner beehrt die Hauptstadt und deren Lieblingsrestaurants mit Anwesenheit. Ich muss ja die Wirtschaft ankurbeln und viel Reisnudeln mit Garnelen aber ohne Koriander futtern. Beim Italiener hingegen nur Pizza Morte, also nix an nix, nur Teig mit Öl drübba - herrlich. 

Überhaupt treffe ich mich jetzt wieder viel mit anderen, wenn auch nur an der frischen Luft. Obwohl neulich, da hatte ich den Schweden zu Gast. Stell dir vor: ich kenne einen Schweden, der stinkereich, 20 Jahre jünger ist und einen Narren an mir gefressen hat. Ich erinnere den bestimmt an eine Tante, womöglich an seine Mutter, die lebt ja in Schweden und das ist ja ganz schön weit weg, nicht wahr? Kann man sich schon mal für eine ältliche Berlinerin erwärmen, gell?

Ich war sogar neulich auf einer Corona-Hochzeit auf dem Land. Wir alle im Trauraum mit Masken auf und weit voneinander entfernt gesessen. Eine rustikale, brandenburgische Standesbeamtin mit pfiffiger Kurzhaarfrisur und BSR-orangenem T-Shirt über einer Hose brüllte gegen ihre Maske an und bediente mit der Fernbedienung die Musikanlage. Das Hochzeitspaar hatte sich etliche Lieder gewünscht und die wurden nun alle drei Minuten angemacht und wir mussten alle zuhören. Habe ich so noch nie erlebt. Das zog sich also alles hin durch die Beschallung und draußen vor der Tür musste erst noch der obligatorische Baumstamm durchgesägt werden, bevor wir uns direkt nebenan in die Storchenklause begaben. Bei Storchenklause denkt man ja gleich ans Schlimmste, aber: deutsche Hausmannskost at its best.

Aber trotz dieser amüsanten Begegnungen ist mein Leben nicht nur mit Sternstunden gespickt. Letzten Samstag zum Beispiel, da hatte ich tagsüber eine Radtour mit einer Freundin und den Leihhund gemacht, dann saßen wir noch in einer entzückenden Eisdiele mit spitzenmäßigem Eis, ich bin da sehr mäkelig, musst du wissen, jedenfalls radelten wir dann im Wolkenbruch nach Hause und sowohl Hund als auch ich hatten genug getan, um den Rest des Abends zu netflixen. 

Aber gegen 21 Uhr fiel mir ein, dass ich noch dringend einen Wochenendeinkauf machen muss und bis 22 Uhr hat REAL auf, ich also hin und plötzlich finde ich mich am Tchibo Regal wieder, vor den Sonderangeboten und mir wird klar, was ich da mache: ich stehe Samstag Abend bei REAL vor dem Tchibo Regal und da wollte ich laut aufschluchzen und mein verkorkstes und vollends missglücktes Leben betrauern. Habe ich dann aber erst im Auto gemacht. 

So mäandere ich hin und her in meinem Gedankengebirge, mal guter Dinge, mal schlechter Dinge; ich weiß eigentlich nie, welche Stimmung mich erwartet, alles ist möglich derzeit. 

Und bei dir so?

Fragt sich deine Annika