Sonntag, 16. August 2020

# Pool gesucht


Liebes Pustgenie,

ich habe natürlich gleich getestet, wie lange ich die Luft anhalten kann: 16 Sekunden waren das Äußerste. Aber ich bin ja auch Anfängerin. Für eine Änfängerin war das auch ein gutes Ergebnis, no doubt about. Man könnte da eine Tschällänsch draus machen, was meinst du? 

Und das hier: "...nach dem Genuss eines Tiramisu mit ordentlich Wumms, eine Ruhepause auf einer Promenadenbank einlegen. Der Kreislauf, weißt Du. Tiramisu, dazu einen Espresso, 35 Grad und kein Windchen nach einer einstündigen Fahrt auf hoher See..." soll euch doch überhaupt erst mal eine/r nachmachen! Das ist ja übermenschlich gewesen, wer denkt sich denn so eine Freizeitgestaltung aus? Kein Wunder, dass ihr euch alle in der Kur kennengelernt habt. Wahrscheinlich betreibt ihr nicht zum ersten Mal derartigen Raubbau an euren Ressourcen. Lavendelchen, das muss aufhören. Du sollst mich doch später im Alter pflegen. 

Naja, ob wir so alt werden steht in den Sternen. Ich gebe dir Recht: die Hitze ist die Hölle. Weißt du, wegen Corona gehe ich nicht ins Freibad wie sonst all die Jahre. Ich fahre an einen leicht außerhalb liegenden See. Da ist zwar das Baden verboten, weil denen ist jetzt aufgefallen, dass dort ein Büdchen und ein Pixie Klo steht und deshalb ist das eine offizielle Badestelle und deshalb muss da ein Bademeister vorf Ort sein, aber es gibt keine Bademeister mehr auf dem freien Arbeitsmarkt und deshalb ist das schwimmen dort jetzt verboten. 

Niemand hält sich dran (was mir ein bissel Glauben an die Menschheit gibt), trotz des Flatterbands werden fleißig Babies in die Pipi-Zone gehalten und ich stelle mich da allabandlich bis zum Hals ins Wasser und kühle runter (denn für kein Geld der Welt schwimme ich auf einen See hinaus) - so weit ist es mit mir gekommen. Stehen in der Pipi-Zone. 

Alles wegen dieser Hitze. Und wegen meiner Schwachsinnsentscheidung vor zig Jahren, bei der Badrenovierung zu sagen, ich brauche keine Wanne. So ein Blödsinn!!!! Da würde ich mich heutzutage morgens und abends in kaltes Wasser legen, herrlich wäre das, aber nein, Madame hatte ja keine Ahnung von diesen Sommern, die uns blühen, naja, egal, nix zu machen, stehe ich halt im See. 

Oder gibt es hier irgendjemanden mit Swimmingpool, der/die sich gerne mit mir befreunden möchte, irl? Ich bin ortsungebunden. Foto erwünscht (vom Pool)

Liebe Lavendel, ich habe mir sagen lassen, am Dienstag soll es regnen. Hoffen wir das Beste. 

Deine Annika 


PS: Im Netz gefunden: Wann wird's mal wieder schlechter Sommer?

Wir brauchten früher eine große Reise
Wir wurden braun ganz weit weg am Strand
Doch heute sind die Blassen nur noch Weise.
Denn hier wird man ja doch nur stark verbrannt.
Ja früher war’n wir noch von Hitze frei.
Das Freibad war noch leer im Mai.
Ich saß in Decken vor unserem Haus.
Faktor 5 reichte gegen Sonnenbrand
Nur kalte Quallen an dem Strand, kein Eis
Und niemand zog die Jacke aus.

Wann wird’s mal wieder schlechter Sommer
Ein Sommer, wie er früher einmal war?
Ja, mit Wolkendecke von Juni bis September
Und nicht so heiss und spanisch
Wie in diesem Jahr.

Und was wir da für Kältewellen hatten
Bikinifabriken gingen ein.
Da gab es bis zu 4 Grad im Schatten
Wir mussten mit der Heizung sparsam sein
Der Regen knallte ins Gesicht
Da brauchte man die Dusche nicht
Ein Dummkopf, wer die Beine trotzdem schor
Es war hier wie in Kanada
Niemand machte FKK
Doch heut, heut summen alle Menschen laut im Chor

Refrain

Auch der Winter war der Reinfall des Jahrhunderts
Erst zu warm, dann doch noch Schnee
Mein Postbote sagt: Das Klima hier wen wunderts,
Denn Schuld daran ist nur die AfD
Ich find das geht ein bisschen weit
Doch bald ist wieder Bürozeit
Und wer von uns denkt da nicht dauernd dran
Trotz allem glaub ich unbeirrt
Dass unser Wetter schlechter wird
Nur wann, und diese Frage geht uns alle an!


Dienstag, 11. August 2020

Heiße Tests

Meine liebste Annika,

ich lautmale einige Uffs und Achs für Dich, die Du eine Fahrt im Schlafwagen überstanden hast. Ein bisschen kannst Du Dich glücklich schätzen, ist Dir doch eine veritable Übelkeit durch dieses Wagongeschuckel in der Nacht ohne gescheiten Blick auf einen Horizont erspart geblieben.

Als ich Anno Dunnemals einmal mit dem Nachtzug nach Bozen reiste, um dann in Südtirol auf zwei Brettern einen Berg herunterzuwedeln, wurde mir hinter Ulm ziemlich kötzelig. Mein Hirn und mein Ohr haben massive Kommunikationsprobleme, wenn der Untergrund schwankt und ich nicht selbst fahre. Im Tauziehen um die Herrschaft verleiten sie den Magen zum gehaltvollen Aufschwulken. Weißte bescheid.

Aber generell ist so eine Nachtfahrt im Zug auf jeden Fall ein Abenteuer. Und Du hast es doch bravourös gemeistert. Und dann zur Belohnung Wien. Wien. Ich war das letzte und einzige Mal da vor 27 Jahren, mit meiner Tante. Wir haben das Phantom der Oper geschaut. Und sind am nächsten Tag ein bisschen durch Wien gelaufen. Leider hatte ich schlimme Kopfschmerzen. Aber es war nicht heiß. Vor 27 Jahren, da waren die Sommer noch richtige Sommer. Kühl und manchmal regnerisch. Herrlich war das. 

Heute ist der Sommer ja eine endlose Reihe von Hitzewellen. Und da hört der Spaß einfach auf. 

Gestern zum Beispiel, bin ich mit drei Damen, die ich während meiner Reha im März kennenlernen durfte, mit einem Boot über den Rhein geschippert. Innere und äußere Hitzewellen machten uns fertig und in Königswinter musste eine von uns, nach dem Genuss eines Tiramisu mit ordentlich Wumms, eine Ruhepause auf einer Promenadenbank einlegen. Der Kreislauf, weißt Du. Tiramisu, dazu einen Espresso, 35 Grad und kein Windchen nach einer einstündigen Fahrt auf hoher See, da braucht es schon eine gehörige Stabilität, um nicht in die Knie zu gehen. Und ihr hat es eben selbige aufgeweicht. 

Um es auf den Punkt zu bringen: Scheißhitze. 

Und schon wieder diese Sorge, dass irgendein Penner im Wald eine abgerauchte Kippe wegschnickt. Sag mir nicht, die Leute sind doch nicht doof. Die sind doof. Saudoof. Immerhin finde ich jeden Tag mindestens eine ausgetretene Kippe auf dem Waldboden. Und die werden nicht vom Oberwildschwein als Deko platziert. Zum Glück gewittert es heute Abend ein bisschen, so dass es den Wald zumindest leicht anfeuchtet. 

Ich hatte übrigens kein Tiramisu. Ich hatte eine Eisschokolade. Mit Sahne. Es war große Klasse. Und hat gleich einen erneuten Speckring auf meine Hüfte gelegt. War ich noch vor Kurzem erfreut, in der Coronazeit nicht zugenommen zu haben, sammle ich jetzt wieder für schlechte Zeiten einiges an Reserven. Wie so ein Vorgel, der sich für den Winter fettfrisst. 

Überhaupt, im Moment bin ich unzufrieden mit meinem Körper. Abgesehen davon, dass ich eine klimakterische Matrone werde, nervt auch hin und wieder der Bauch. Auf der Suche nach den Ursachen musste ich kürzlich einen Test absolvieren. 
Was soll ich sagen. Ich habe diesen Test so gut gemacht, ich glaube sogar, niemand hat bisher diesen Test so gut geschafft. Ich war einfach phantastisch. Es war erstaunlich. Die MTA war so sehr von mir beeindruckt, wie gut ich diesen Test gemacht habe. Sie sagte: „Sehr gut.“

Und ich glaube, sie sagt das nicht zu vielen, denn nicht viele können diesen Test so gut absolvieren wie ich. Ich war großartig. 

Ich musste für diesen Test einen Viertelliter Zuckerwasser trinken. Das habe ich auf einen Schwung weggeschluckt. Andere müssen absetzten. Ich nicht. Angesetzt, reingekippt, phantastisch. Kein mal abgesetzt. Die anderen können das so nicht.

Und dann musste ich alle 30 Minuten zu der MTA gehen. Ich habe nicht einen Termin verpasst. 4 Mal musste ich nach 30 Minuten zu ihr gehen und ich kam immer genau im richtigen Moment. Sie fand das absolut erstaunlich. Andere kommen schon 5 Minuten zu früh oder 10 Minuten zu spät. Ich war immer auf die Sekunde nach 30 Minuten bei ihr. Keiner musste mir sagen, wann und wie das geht. Ich konnte es einfach. Unfassbar. 

Die MTA sagte dann, ich soll die Luft anhalten. 20 Sekunden musste ich die Luft anhalten. Wenn Dir jemand sagt, halte 20 Sekunden die Luft an, und dann hältst Du 20 Sekunden die Luft an, und wenn Du das dann schaffst, dann zeigt das, wie unglaublich gut Du bist. Konzentriert, erfolgreich, großartig.

Dann sollst Du nicht einfach ausatmen. Nein. Du musst in ein Plastikrohr an einem sehr komplizierten und phantastischen Gerät pusten. Kräftig pusten. Ich pustete so kräftig, niemand hatte bisher so in das Rohr gepustet, wie ich in dieses Rohr an diesem wunderbaren Gerät gepustet habe. Die MTA fand, sie hätte noch nie jemanden so pusten sehen. Ich bin ein sehr guter Puster. Vermutlich könnte man sagen, einer der besten Puster überhaupt. 

Nach dem Pusten muss man weiteratmen. Einfach wieder ein und aus. Ich würde sagen, einatmen und ausatmen ist einfach das, was ich sehr gut beherrsche. Besser als die meisten, besser als alle anderen. Ich habe so großartig weitergeatmet. Es gab keine Probleme. Ich habe das alles perfekt gemacht. Ich habe diesen Test als Beste gemacht. Ich habe diesen Test mit voller Punktzahl bestanden. 

Und ich habe keine Laktoseintoleranz. 

Weshalb ich weiter Sahneschnittchen, Camembert und Joghurt essen kann. Und zum Glück bin ich bei den 20 Sekunden Luftanhalten nicht zu Tode gekommen. Wenn mir nämlich jemand sagt, ich soll 20 Sekunden die Luft anhalten, bekomme ich nach 3 Sekunden die erste Panikattacke, weil ich sicher bin, zu ersticken.Und 20 Sekunden sind lang. 

Egal. Die Hauptsache ist, ich habe einen wirklich guten Job gemacht. Und im September halte ich für Fruktose die Luft an. Im September mache ich diesen Test nochmal. Nicht genau den gleichen, nein. Es ist Fruktose. Ich werde ihn wieder so perfekt machen. 

Immerhin bin ich stabil und ein Pustgenie. 

Solltest Du noch Fragen haben, meine liebe Annika, ich kann Dir alles erklären. 

Deine Potus Lavendel

Dienstag, 4. August 2020

Orientexpress nach Wien


Liebe Lavendel,

wie heiß das in Wien war, habe ich ja schon hier beschrieben. Aber erstmal musste ich ja überhaupt  nach Wien kommen. Ich dachte, ich gönn mir was: das Single-Deluxe-Schlafwagenabteil mit eigener Dusche und WC. Da stellt man sich natürlich was drunter vor. Ich bin mal Anfang 2000 mit dem Schlafwagen nach München gefahren und das war tres chic.

Hier steige ich also in den Zug ein und komme in ein Dreier-Abteil, in dem einfach nur die anderen Betten hochgeklappt waren, was sich nicht wie Single-Deluxe anfühlte, sondern wie eine extrem überteuerte Pritsche. Ich hätte für den Preis drei Nächte incl. Frühstück im Marriott am Potsdamer Platz absteigen können - ist das zu fassen?

Der Zug fuhr in Berlin um 18 Uhr los und ich saß auf dem Bett und rechnete aus, wie lange ich noch im Schneidersitz würde sitzen müssen, bis ich endlich müde werde. Vor Mitternacht passiert da nix bei mir. Ich bat den Schaffner, mir das Bett noch mal hochzuklappen, damit ich anständig sitzen konnte. Um 22 Uhr allerdings klappte er es mir endgültig wieder runter

Der Schaffner war ein Österreicher, was nicht wundert, denn die Ösis haben die Nachtzüge der DB übernommen und befahren jetzt diverse Nachtstrecken, was prinzipiell zu lobpreisen ist. Aber: bei den gepfefferten Preisen erwarte ich, dass das Wasser zum Händewaschen nicht ab 22 Uhr abgestellt wird; der Schaffner auch wirklich kommt, wenn man ihm deshalb anpiept und man nicht gegegn 23 Uhr aufgibt und sich damit abfindet, dass man eben nicht duschen kann.

Als Hypochonderin fantasierte ich sogleich, dass, wenn ich jetzt einen Infarkt erlitte, der Schaffner meine Leiche erst in der Früh kurz vor Wien finden würde. Ich hätt' ihm den Schreck direkt gegönnt, so sauer war ich inzwischen. 

Denn an Schlaf war wirklich nicht zu denken: in der Tschechei muss der Zug vor jedem Bahnübergang - und sei er noch so klein und unbedeutend - zum Schutz der passierenden Autos hupen. Also alle 30 Sekunden das Gehupe. So sehr ich mich anfangs gefreut hatte, dass dieser alte Zug immerhin noch ein Fenster hat, das sich öffnen ließ, so schloss ich es rasch wieder, denn dann war aus der Hupe ein Nebelhorn geworden.

Ich sah ein paar Filme auf meinem Ipad (Gott bewahre: kein WLAN, nur schlau genug, mir vorher was downzuloaden) und dann schlief ich endlich ein. Für eine Stunde ungefähr, denn im Zug wacht man auf, wenn er nicht mehr fährt. Und um auf 12 Stunden zu kommen für eine Strecke, die sich locker in 7 Stunden bewältigen ließe, muss man eben mal hier 50 Minuten halten und da 40 Minuten, etc. Wirste verrückt, zumal die Klimaanlage ausgeht und man wach wird, auch weil einem kochendheiß wird. 

Um 6 Uhr morgens kam das Frühstück - leider nicht die "6 Komponenten", die ich am Abend zuvor angekreuzt hatte, aber wer braucht schon Butter auf Gummibrötchen? Um 7 Uhr stolperte ich zerschlagen aus dem Zug und mir graute da schon vor der Rückfahrt - jetzt wusste ich ja, was mich erwarten würde.

Aber ich wusste auch nicht, was für eine Hitzeschlacht mich in den folgenden Tagen erwarten würde und als ich die erstaunlicherweise überlebt hatte, kam mir die Rückfahrt wie eine richtige Single-Deluxe-Reise vor.

Ich ging auf die Knie und fand zu Gott, als ich wieder einstieg und die Klimaanlage funktionierte. Ganz still saß ich im Schneidersitz auf dem Bett und dann ging ich sogar in diese Winzdusche und verbrauchte das ganze Wasser für den Zug, fürchte ich, aber das war mir egal. Ich konnte nicht anders. Und gleich anschließend legte ich mich brav auf die Pritsche und schlief sofort ein.

Ist alles eine Frage der Perspektive...