Dienstag, 4. August 2020

Orientexpress nach Wien


Liebe Lavendel,

wie heiß das in Wien war, habe ich ja schon hier beschrieben. Aber erstmal musste ich ja überhaupt  nach Wien kommen. Ich dachte, ich gönn mir was: das Single-Deluxe-Schlafwagenabteil mit eigener Dusche und WC. Da stellt man sich natürlich was drunter vor. Ich bin mal Anfang 2000 mit dem Schlafwagen nach München gefahren und das war tres chic.

Hier steige ich also in den Zug ein und komme in ein Dreier-Abteil, in dem einfach nur die anderen Betten hochgeklappt waren, was sich nicht wie Single-Deluxe anfühlte, sondern wie eine extrem überteuerte Pritsche. Ich hätte für den Preis drei Nächte incl. Frühstück im Marriott am Potsdamer Platz absteigen können - ist das zu fassen?

Der Zug fuhr in Berlin um 18 Uhr los und ich saß auf dem Bett und rechnete aus, wie lange ich noch im Schneidersitz würde sitzen müssen, bis ich endlich müde werde. Vor Mitternacht passiert da nix bei mir. Ich bat den Schaffner, mir das Bett noch mal hochzuklappen, damit ich anständig sitzen konnte. Um 22 Uhr allerdings klappte er es mir endgültig wieder runter

Der Schaffner war ein Österreicher, was nicht wundert, denn die Ösis haben die Nachtzüge der DB übernommen und befahren jetzt diverse Nachtstrecken, was prinzipiell zu lobpreisen ist. Aber: bei den gepfefferten Preisen erwarte ich, dass das Wasser zum Händewaschen nicht ab 22 Uhr abgestellt wird; der Schaffner auch wirklich kommt, wenn man ihm deshalb anpiept und man nicht gegegn 23 Uhr aufgibt und sich damit abfindet, dass man eben nicht duschen kann.

Als Hypochonderin fantasierte ich sogleich, dass, wenn ich jetzt einen Infarkt erlitte, der Schaffner meine Leiche erst in der Früh kurz vor Wien finden würde. Ich hätt' ihm den Schreck direkt gegönnt, so sauer war ich inzwischen. 

Denn an Schlaf war wirklich nicht zu denken: in der Tschechei muss der Zug vor jedem Bahnübergang - und sei er noch so klein und unbedeutend - zum Schutz der passierenden Autos hupen. Also alle 30 Sekunden das Gehupe. So sehr ich mich anfangs gefreut hatte, dass dieser alte Zug immerhin noch ein Fenster hat, das sich öffnen ließ, so schloss ich es rasch wieder, denn dann war aus der Hupe ein Nebelhorn geworden.

Ich sah ein paar Filme auf meinem Ipad (Gott bewahre: kein WLAN, nur schlau genug, mir vorher was downzuloaden) und dann schlief ich endlich ein. Für eine Stunde ungefähr, denn im Zug wacht man auf, wenn er nicht mehr fährt. Und um auf 12 Stunden zu kommen für eine Strecke, die sich locker in 7 Stunden bewältigen ließe, muss man eben mal hier 50 Minuten halten und da 40 Minuten, etc. Wirste verrückt, zumal die Klimaanlage ausgeht und man wach wird, auch weil einem kochendheiß wird. 

Um 6 Uhr morgens kam das Frühstück - leider nicht die "6 Komponenten", die ich am Abend zuvor angekreuzt hatte, aber wer braucht schon Butter auf Gummibrötchen? Um 7 Uhr stolperte ich zerschlagen aus dem Zug und mir graute da schon vor der Rückfahrt - jetzt wusste ich ja, was mich erwarten würde.

Aber ich wusste auch nicht, was für eine Hitzeschlacht mich in den folgenden Tagen erwarten würde und als ich die erstaunlicherweise überlebt hatte, kam mir die Rückfahrt wie eine richtige Single-Deluxe-Reise vor.

Ich ging auf die Knie und fand zu Gott, als ich wieder einstieg und die Klimaanlage funktionierte. Ganz still saß ich im Schneidersitz auf dem Bett und dann ging ich sogar in diese Winzdusche und verbrauchte das ganze Wasser für den Zug, fürchte ich, aber das war mir egal. Ich konnte nicht anders. Und gleich anschließend legte ich mich brav auf die Pritsche und schlief sofort ein.

Ist alles eine Frage der Perspektive...

2 Kommentare:

  1. Schade, H. freut sich so auf die Nachtzüge ...

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  2. Ich bin überhaupt noch nicht oft mit dem Zug gefahren, wenn ich 2x umsteigen musste, hab ich gefühlt alle 2 Minuten auf meinen Reiseverlauf gesehen um ja keinen Ausstieg zu verpassen........aber wenn man in einem Rutsch durchfahren kann, ohne umzusteigen, hätte das was...wenn so annehmbar wäre wie im Orient Express.......aber das ist vielleicht auch nur ein Wunschgedanke.
    Und ich könnte noch nichtmal im Schneidersitz sitzen.......aber 12 Stunden...das ist nicht ohne....ich wäre eh verhungert und verdurstet und unternikotiniert.....

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