Sonntag, 10. Mai 2020

Heiter weiter

Liebe Lavendel,

da hilft eigentlich nur die Bazooka, denn mit Sorgenpüppchen komme ich dir nicht, keine Angst. 

Früher als ich noch Hormone hatte und noch schlimmer, als die Hormone sich verpissten, hatte ich das auch ganz oft. Dreimal am Tag wollte ich morden und nicht nur darüber sprechen. Lebten wir nah beieinander, wüsste ich sofort, wie ich dir hülfe: Wir göngen in den Wald, um das Ja-Nein-Spiel zu spielen. Die eine schreit JA, die andere NEIN. Immer im Wechsel, bis man alles rausgebrüllt hat, was mal raus musste. Das ist genauso entlastend wie ein ordentlicher Weinkrampf. 

Vielleicht ließe sich jemand finden in der Nachbarschaft, der auch mal dringend brüllen muss? Ansonsten böte sich doch der ältere Mann in deinem Haushalt an, denn wo zum Teufel treibt der sich bis morgens um 8 Uhr herum? 

Du weißt, dass ich die Mutti-Putzfrau-Haushälterinnen-Falle eher reizvoll finde. Je älter ich werde, desto öfter denke ich: 'Hättest du doch damals nur den Uwe geheiratet'. Der hatte ein Ziel und das hat er erreicht und die Freundin nach mir gleich geheiratet und bis heute leben die unter einem Dach, plus Junge & Mädchen und Golden Retriever und sie hilft manchmal in seinem Geschäft und ist ja evtl. auch so entnervt wie du, aber mir kommt es vor, als würden die direkt im Taj Mahal wohnen. 

Und deshalb lebst du für mich auch im Palast der Liebe mit all deinen Killerdogs und Wolkenköpfchen um dich herum. Miese-Laune-Tage hat man auch im Büro, und da ist der Kummer genau derselbe: "Warum bin ich immer wieder so bescheuert und kümmer mich um alles? Gegen die Wand laufen lassen müsste ich ihn! Warum sieht hier eigentlich niemand, was ich wuppe? In der Hälfte der Zeit, die andere dafür brauchen?" 

Kürzlich sprach ich mit einer Kollegin, Assistentin. Sie hatte Geburtstag. Alle hatten es vergessen. Ihr Chef. Ihre KollegInnen. Wer hatte dran gedacht? Andere Assistentinnen.
Hadere also mit allem möglichem, aber nicht damit, WO du haderst. Woanders ist nicht besser, nur woanders. Und wenn du dich doch in ein Büro wünschst, dann denk dran, dass du - obwohl mies gelaunt - dennoch geschminkt, gut frisiert und geschmackvoll angezogen dabei sein musst. 

Soll ich dir mal was total Beklopptes zur Ablenkung erzählen? Der Grund, weshalb ich so spät schreibe, war ein weiterer Wochenendtrip ins Berliner Umland, diesmal zur Freundin, die direkt auf einem Reiterhof lebt. Sehr idüllisch. Jedenfalls sitzen wir auf ihrer Terasse und plötzlich holt sie einen Brief uns fragt: "Soll ich euch mal vorlesen, was mein Pferd mir geschrieben hat?" 

Hä???

Neulich war das Pferd krank, da kam die Tierärztin, die sowohl eine schulmedizinische Spritze als auch homöopathische Globuli verabreichte und zuletzt mit dem Pferd sprach. Nein anders: dem Pferd zuhörte. Und alles, was das Pferd ihr gesagt hatte, hat sie aufgeschrieben und meiner Freundin überlassen, für 130 €. Sie habe dafür eine Stunde neben dem Pferd gesessen.

Ich: "Für 130 € setze ich mich auch eine Stunde neben dein Pferd!"

Sie las den Brief dann vor: 

"Monika ist oft weg und es wäre schön, wenn sie mir vorher Bescheid geben würde, wann sie wieder kommt. In letzter Zeit ist sie öfter da, das finde ich schön, denn ich mag Moni ganz gern, auch wenn sie keine besonders talentierte Reiterin ist, ihre Hände sind oft unruhig und in der Hüfte ist sie ziemlich steif und sie könnte mir auch öfter mal Bonbons geben. Ich hätte auch gerne einen festen freien Tag in der Woche und wäre am liebsten jeden Tag bis 19 Uhr auf der Weide bei meinen Freunden anstatt immer nur bis 15 Uhr. Dieses ewig lange Stehen in der Box macht mir immer geschwollene Hinterbeine und die Hufeisen gegen Duplos auszutauschen neulich war ja echt keine gute Idee, ich brauche echte Eisen an den Hufen."

Und das Geschwafel ging noch drei vollbeschriebene DIN A4 Seiten so weiter und ich musste an diesen riesigen Brandenburger Wallach denken, um den es hier geht, ein wunderschönes Tier, das seine Besitzerin des öfteren und aus dem Nichts in Richtung Hallenboden befördert, was ja erst für eine gewisse Steifigkeit in ihrer Hüfte gesorgt hat und der dennoch von ihr mit Leckerli so vollgestopft wird, dass überhaupt nur das Pferd aus ihm werden konnte, was er nunmal ist: das Äquivalent zu einem hedonistischen Hipster. Aber:
Schlecht erzogen? Ja. Aber dass er nun die Veterinärin beflüstert? Nein. 

In was für einer Welt leben wir eigentlich, frage ich dich?

Ich antworte dir auch gleich: wir machen eine gemeinsame Praxis auf, setzen uns neben Pferde und hören zu. Wir sind aber effektiver und füllen einen Multiple Choice Fragebogen aus. Auf Wunsch führen wir auch Mediationen durch, wenn's auf der Weide mal wieder knallt. Wir werden stinkreich.

Deal?


2 Kommentare:

  1. Holt mich ins Boot!! Ich kenn mich aus mit Gäulen. Ich musste nicht mal genau hinhören, als mein Teilzeitpony mir heute morgen zuraunte: „Verpiss Dich bitte wieder und lass mich in Ruhe mein Heu fressen“.

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    1. Das sagen die doch immer!

      Wir holen dich ins Boot, klaro. Aber erst mal nur als unbezahlte Praktikantin.

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