Dienstag, 12. Mai 2020

Helden-Medaille

Liebe Annika,

mein Zorn ist verraucht. Im Nachgang scheint es sich wirklich um ein hormonelles Ungleichgewicht gehandelt zu haben. Bedauerlich, dass Du nicht ums Eck bist, was hätten wir uns ein Schreigefecht liefern können. Ich hätte gern das Nein genommen. Wobei dem Ja gerade in der Geburtshilfe große Bedeutung zukommt. In den Wehen wird gefälligst Ja gerufen, das öffnet den Mund. Nein verkneift die Lippen. Im Geburtsvorgang ist Nein keine Option, alles muss weit aufgemacht und nicht zugekniffen werden.

Leider habe ich niemand anderen zum Brüllen gefunden. Deinen Vorschlag, mir den älteren Mann wegen seiner Heimkunftszeit vorzuknöpfen, konnte ich nicht in die Tat umsetzen. Er tat mir nämlich leid. Wie Du weißt, verdingt er sich in der Krankenhausgaleere und dort zu arbeiten ist nun mal kein Ponyhof. Schon gar nicht im Moment. 

Aber ach, wie wurde geklatscht und bejubelt. Unsere Helden! Einige Quarantänetage und einen Test später ist der Held recht zufrieden, dass er weiter in der Galeere schuften kann.

Dann kam Post vom Arbeitgeber. Meist handelt es sich um das Vereinskäseblättchen oder um einen lauwarmen Gruß zum 25 jährigen Jubiläum. Diesmal war es eine Karte. Und in dieser Karte befand sich eine Medaille. Eine Goldmedaille. Aber nicht, weil der Held so schnell zwischen OP und Patient hin und her laufen kann wie kein zweiter. Nein. Es ist ein Dankeschön für seinen unermüdlichen und selbstlosen Einsatz. Ganz im Sinne von Florence Nightingale.


Und wenn Du jetzt denkst: Verdient! Soviel Gold muss sein! möchte ich Dich kurz darauf hinweisen, dass es sich um eine Schokomünze handelt. Dunkle, angestaubte, wenig schmackhafte Schokolade. Ich habe meiner Empörung Luft gemacht und ihm gesagt, dass ich das für ausgemachten Schwachsinn halte, egal ob Florence gerade 200 Jahre alt geworden wäre oder nicht. Das dafür ausgegebene Geld hätte sich auf den Gehaltsabrechnungen der Nachfolger von Flo besser gemacht. 
Aber er zuckte nur die Schultern, lächelte milde und sagte: "Träum` weiter. Mehr Geld? Gibt`s nicht."
(So jemanden schreit man nicht an.)

Also, ich würde Dich bitten, das mit Praxisplanung zu intensivieren. Stinkreich zu werden käme nämlich gerade recht. Es gibt so einiges, wofür man stinkreich sein müsste, was auf meinem Merkzettel steht. Es gibt bei dem Stinkreichplan allerdings eine Schwäche. Ich habe eine Scheißangst vor Pferden. Ob ich wohl depressive Goldfische behandeln dürfte? Und Du nähmest die Gäule?

Liebe Grüße von Deiner 

Lavendel

(P.S.: In welcher Welt wir leben? Ich bitte Dich. Wir leben in der Welt, die sich mit 108.000 Stundenkilometern um die Sonne dreht und dabei noch mit guten 1.600 Kilometern pro Stündchen um sich selbst. Das hält doch der stärkste Gaul nicht aus. Rausch. Wir leben hier alle im Geschwindigkeitsrausch. Und da flattert nicht mal die Mähne davon.)

(P.P.S.: Habe soeben erfahren, dass wir eine sehr versierte Mitarbeiterin haben könnten. Die versteht die Ponys sogar ohne Worte, die muss auch stinkreich werden aus vielfältigen Gründen, aber wir können sie vielleicht eher mäßig am Gewinn beteiligen, weil sie zur Familie gehört.)

2 Kommentare:

  1. Das mit der Schokoladenmünze macht mich fertig, unglaublich! Vielleicht hat der Krankenhausträger eine stille Beteiligung an einer Schokoladenfabrik?
    Die Idee mit dem Briefe schreiben fürs Pferd finde genial, solange das Pferd keinen Einwand hat und jemand zahlt.

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    1. Das Pferd ist doch froh, wenn ihm mal jemand zuhört!

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