Meine Liebste,
Usedom! Am Meer. Im Urlaub! Ich bin begeistert. Wie gern würde ich mich auf mein Pony schwingen und zu Dir geritten kommen. Wir würden uns in einem Strandkorb verlustieren und dabei kühle Getränke zu uns nehmen. Wenn es nicht regnet. Selbst wenn, dann würden wir warme Getränke konsumieren.
Hach, wie schön das wäre. Und wir würden Bücher tauschen.
Ich könnte Dir anbieten:
„Kingsbridge“ vom ollen Folletts Ken. Ich würde es Dir auch nur anbieten, aber nicht empfehlen, denn ich lese es schon seit 3 Wochen, bin auf Seite 93 und fand es bereits auf Seite 20 erbärmlich.
Wenn ich bedenke, dass dieser Vogel Millionen dafür bekommt, frage ich mich, warum? Die Figuren sind alle schon einmal da gewesen, es ist langweilig, der Stil ist lahm, es wirkt ungelenk geschrieben.
Edgar, Eadbald, Erman, Dreng, Den, Degbert, Wigelm, Wilwulf, Wynstan, Gab und Blod. Es tummeln sich Figuren, noch und nöcher, ich kann sie mir nicht merken. Ich glaube, Ken konnte das auch nicht. Gleich am Anfang tauchen die drei Brüder auf, wie hießen sie noch gleich? Nicht Tick, Trick und Track, so ähnlich. Egal. Ich würde es Dir anbieten. Kannst aber auch Kraniche aus den Seiten falten. Oder einen feinen Joint drehen. Mir egal. Ich werde es vermutlich nie fertig lesen
„Vom Aufstehen“ von Helga Schubert. Die Follett-strapazierten Windungen lehnen sich aufatmend zurück und sagen: Danke. Besser.
Und wie wäre es mit Sachliteratur? „Die Macht der Affäre“ von Esther Perel. Ich möchte mich ja weiterbilden, was den Bereich des Betrügens, Betrogenwerdens und allem, was dazugehört angeht. Und gern aus Therapeutensicht.
Wirklich ans Herz legen würde ich Dir aber „Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke für den Hausbedarf der Leser“. Für jedes schlimme Weh passende Worte.
Seeluft ist aber auch unschlagbar für die Gesundheit.
Meine wurde etwas strapaziert durch die zweite Impfung. Der Arm war ganz schön schwer und einen Tag lag ich auf dem Sofa herum. Natürlich erst nach der Arbeit. Dort hatte ich mich hin- und durchgeschleppt, was aber für mich in Ordnung war. Denn früher war es viel schrecklicher. Krank sein und trotzdem mit drei kleinen Kindern zuhause, das war übel. Dagegen ist Impfnebenwirkung in Kombination mit Arbeit richtig pillepalle.
Aber nun bin ich durchgeimpft. Bisher hat mich keine Stimme im Kopf höflich darum gebeten, etwas unbotmäßiges zu tun. Und das Handy hat keine Macht über mich. Also nicht mehr als vorher. Mir wächst nur der ganz normale Bart (Brüste? Bei Männern? Erinnert mich daran, dass ich früher so gern mal dicke Brüste berühren wollte, die Männer, die ich berührte aber für dicke Brüste noch viel zu jung waren, und wie das jetzt in meinen Kopf kam, kann ich erklären, mit dicken Männerbrüsten hast eindeutig Du angefangen. Also echt.) und kein Ringelschwänzchen (keine weiteren Asoziationskettten von mir für Dich, mach Dir selber welche.).
Jetzt hoffe ich, dass mir eine Infektion mit welcher Variante auch immer erspart bleibt. Ob ich jetzt irgendwo hinein darf, ob Land, Laden oder Restaurant, ist mir ziemlich egal. Ich möchte nur einfach keine 40 Grad Körpertemperatur bekommen. Das hatte ich schon einmal im Rahmen einer HIB- Infektion. Zusammen mit drei Kindern. Gab Lungenentzündung für alle durch diese ollte Bazille und nur einer war gesund geblieben. Der konnte jeden Tag dreimal durch das Haus laufen, mit gezücktem Löffel, und Schlangensaft verteilen. 40 Grad Temperatur ist für meine Nerven zuviel. Die feuern dann elektrischen Bullshit durch mein Hirn, mein Restkörper reagiert mit infantilem Verhalten (Verweigerung der Mitarbeit in der Muskelbewegung und solche Sachen), das möchte ich nicht noch einmal erleben. Wochenlang habe ich herumgekrepelt, bevor ich einigermaßen einen Schritt vor den anderen setzen konnte. Und dieses Geröchel wegen der Kurzatmigkeit will ich gar nicht mehr erinnern. Da blähen sich immer die Nasenflügel auf, weil sie versuchen, jedes Sauerstoffatom durchzulassen, das nur geht, damit die Grundversorgung nicht komplett den Bach runtergeht.
Aber lass uns bitte das Thema wechseln. Wir könnten uns zur Abwechslung einmal dem Ehemann zuwenden. Und der Brotspinne. Denn denke nicht, dass hier der eitle Sonnenschein ausgebrochen wäre. Eine Bilderbuchehe. Ein Happy End. Mitnichten. Es bleibt belastend.
Meine Gebetsmühle dröhnt wieder laut in meinem Kopf. Sie rumpelt und pumpelt ganztägig:
„Ach, täte er doch mehr reden.“ jault die eine. „Never ever, das weißt du!“ kreischt Nummer zwei. Und so plärren sie sich an und ich hocke dazwischen. Wie schön die Momente, in denen Ruhe ist, weil ich mich auf der Arbeit mit komplizierten Dingen befasse. Rechenaufgaben zum Beispiel. Dieses Wochenende habe ich mir sogar eine mit nach Hause genommen, weil es mich so trefflich ablenkt davon, dass ich mit einem Schweigefuchs verheiratet bin.
Wobei, Worte hat er schon. Nur nicht für mich. Für die Brotspinne sehr wohl. Wobei, kürzlich fand ich ihn in tiefem Kummer versunken. Ich glaube, die Brotspinne hat ihm gesagt, es reicht jetzt mit der Whatsappbeziehung. Ja, ich habe seine Tränen gesehen, mich anbrüllen lassen, ich solle ihn in Ruhe lassen, bin davongeschwebt, leise, still und lächelnd. Und gönne ihm jede Träne, gönne ihm allen Schmerz dieser Welt. Und reiche ihm gern ein Salzfass, mit dem er sich die Herz-Wunde würzen kann. Oder eine Chilischote, wenn er sich die tränenumflorten Augen reibt.
Seitdem schwebe ich dauerhaft. Betrachte alles von recht weit oben. Und frage mich, wann ich den Schritt tue, ganz heraus aus unserer Gemeinsamkeit.
Denn ich muss keine Angst haben. Vor nichts. Den schlimmsten Schmerz hatte ich schon.
Und weil es gerade so schön ist, dieses Gefühl, das ich habe, ende ich und höre ein bisschen Rocket Man.
Liebste Grüße von Deinem Schwebeteilchen