Sonntag, 15. November 2020

Unterm Dach ein Ach. Du. Verdammte. Hacke.

 Liebe Annika,

um es auf den Punkt zu bringen: Wäre dieses ätzende Corona-Covid-Geschisse nicht, ich wäre längstens mit einer Freundin ausgegangen, um auf Teufel komm raus zu flirten. Ein Mann, der mich zum Knutschen aufforderte und mit dem ich in der Tat zwei bis sieben Zungenküsse austauschte, findet mich sehr sexy, vielleicht aber auch nur, weil er mit seiner Frau genauso lange keinen Sex hatte wie ich mit meinem Mann. Entschuldige, kann sein, es ist zu viel Information. Aber manchmal muss es eben raus. 

Über die Zungenküsse kann ich nur sagen, nein, sie waren nicht das, was ich mir erträumte. Falsche Zeit, falsche Situation, falsches was auch immer. Ich fühlte mich hinterher nicht satt. Es hatte etwas gänzlich Pubertäres. Kann sein, ich bin zu alt für dieses hektische Rumgemache. Kann sein, ich möchte es... nun ja, ...langsam? Mit viel Gefühl? Was weiß denn ich. Nein. Ich möchte es mit meinem Mann. Das habe ich ihm (also meinem Mann, nicht dem zum Knutschen) auch gesagt und von dem Geknutsche erzählt. Natürlich hoffte ich, ihn würde ein bisschen was daran piesacken. Aber ach, er wünscht mir, dass ich einen finde, mit dem es mir viel Freude bereitet. Ein veritabler Griff ins Klo, diese Angelegenheit. 

Ja, mitunter wächst mir hier die ganze Angelegenheit über den Kopf. Und der Tränen gibt es immer noch sehr viele. Die Verzweiflung steigt und fällt. Wieder und wieder. Manchmal durchflossen von aller Kraft einer verschmähten und betrogenen Ehefrau, getragen von einer Energie, die mich selbst erstaunt, kippe ich nur fünf Minuten später in den Modus des verzweifelten Matschhaufens, der sich nicht einmal allein die Nase putzen kann. Es ist zum verrückt werden. 

Übrigens habe ich festgestellt, dass das Leben anderer Menschen sich darstellt wie ein Springen von Stein zu Stein in einem klaren, quirligen Gebirgsbach. Mein Leben hingegen ähnelten einem Springen von Kackhaufen zu Kackhaufen. Dazwischen steht hin und wieder ein Trampolin, damit ich mehr Dynamik bekomme, bei meinem nächsten Sprung. Und wenn das die Wahrheit ist, dann wartet der nächste Haufen schon auf meine Punktlandung. 

Um mich auf alles vorzubereiten, stelle ich mir gern vor, was als nächstes passiert. Die Brotspinne wird trotz Spirale schwanger und will das Blag auf jeden Fall bekommen. Mit dreißig tickt nämlich die Uhr und sie möchte gern ihre Gene weitergeben. Der Mann ist ganz verschämt und druckst rum, bis er es mir endlich sagt. Und der kleine Bastard hätte dann die gleichen Erbansprüche wie meine Kinder. Ein kleines Ups auf die Verhütung, sage ich. Ich hatte diesbezüglich Verantwortung von ihm eingefordert. Aber er traut der Brotspinne und ihrer Spirale. Ich nicht. Und mein Leben freut sich auf den Sprung. 

Hast Du noch weitere Vorschläge, was als nächstes passieren kann? Nur, damit ich mich schon mal warmlaufen kann und nicht im entscheidenden Moment die Nerven verliere. 

Vermutlich wäre ein Besuch beim Notar wirklich am Besten. Ich hatte das auch schon angemerkt. Bin aber bisher damit eher belächelt worden. 

Was ist das eigentlich, mit den Männern? Haben die sie nicht mehr alle beieinander? Liegt es an der Sternenkonstellation? Am Wetter? Am Virus? Oder hat Trump, der olle Pussygrabber, seine Finger im Spiel (Ihgitt, Ihgittigitt) und die männliche Weltbevölkerung mit etwas weitaus Schlimmerem als dem Populismus infiziert? 

Ich will eigentlich auch gar nicht schweigsam sein. Denn im Grunde hätte ich im Augenblick sehr viel herauszulassen. Nur ist das alles immer so abgrundtief traurig bis hin zur Larmoyanz.  Ich bin mir nicht sicher, ob ich Dir das antun kann. Ich kann es ja nicht einmal mir selbst antun. Und es kommt mir mitunter der Gedanke, ich sollte das ganze Theater von mir aus beenden. Ihn vor die Tür setzen. Nicht mehr hinnehmen, dass er seine Zeit mit der Brotspinne verbringt, während ich hier weiter die Care-Arbeit an Kindern, in Haus und Garten und mit dem Hund leiste. Adiós compañero. 

Wie auch immer, ich habe:

- eine neue Armbanduhr

- zwei weitere Spitzenschlüppis

- eine enge Jeans

- neue Ohrringe

- zwei neue Strickjacken

- einige neue Bücher (nur lesen kann ich sie nicht, zu unkonzentriert...)

- eine neue Pfanne

- acht Tüten Chips (die ich nicht esse, Appetitlosigkeit sei Dank)

- ein neues Spitzenbustier

- und noch ein paar Kleingkeiten, nicht weiter erwähnenswert erscheinen.

Was tun wir jetzt? Also gegen die Schreibblockade? Ich überlege, ob ich mein Herzensleid in Romanform gepresst bekomme. Was bisher von Erfolglosigkeit gekrönt ist. Denn außer: "Aber es kann sein, dass es genauso ist. Dass es dich nicht interessiert, was mit der Frau des Mannes passiert, den du gerade vögelst. Und dass der Mann, den ich gerheiratet habe, einfach nur ein Arschloch ist. Dann habt ihr euch verdient!" zu schreiben und nicht abzuschicken, kriege ich nicht so viel zustande.

Was ist Deine Erklärung für Deine Blockade? 

Liebste Grüße, Deine Lavendel

P.S.: Ich bin erschütternd müde, die Buchstaben können hüpfen, vor meinen Triefaugen.

P.P.S.: Ja, statt Ritzen mach ich lieber Tattoos. Ritzen hab ich probiert, ist blöd.

P.P.P.S.: Ich könnte den ganzen Tag fluchen. Oder heulen. Oder fluchen. Oder heulen. Oder...


4 Kommentare:

  1. Liebe Frau Lavendel,

    ich schreibe mal aus meiner Erfahrung. Der nächste Teil war hier: Die Brotspinne, hier die olle Printe, wurde schwanger, Mann zog aus. Sie bekam das Kind, war nach ein paar Monaten völlig überfordert. Mann wollte zurück, durfte aber nicht. Darauf hin zog es ihn nach Guatemala ( Selbstfindungstrip? Man weiss es nicht), und wurde seitdem nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich im Regenwald verschollen oder geschrumpfkopft aufgrund der Schwängerung einer Häuptlingstochter. Macht ja nichts.
    Sie sehen, es kann auch gut ausgehen.
    Es grüßt

    Frau Pe

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    1. Doch, das ist auch gut, zu wissen, dass man nicht allein ist und kein Ausnahmefall im Universum. Irgendwie tröstlich.

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  2. Liebe Lavendel,
    mich erschüttert der Part, dass du den ollen Verräter auch noch zurücknehmen würdest - wenn ich das richtig verstanden habe...
    Das hat er nicht verdient und das käme auch mit Sicherheit nicht zum jetzt von dir gewünschten Ergebnis. Die Brotspinne und die Erinnerung an sie oder irgendeine andere, wären dir immer präsent...Und würden auf Dauer jede Annäherung vergiften. Ich wünsche dir, dass du bald den Punkt erreichst, an dem du ihn gar nie wieder haben willst. Nie nicht. Und an dem du seinen Anblick nicht mehr erträgst und ihn bittest sein Bündel zu packen. Dann kommen noch mehr Tränen, auf jeden Fall, aber dann geht es wieder aufwärts. Die Situation jetzt finde ich, mit Verlaub, ganz und gar gruselitzsch für dich.
    Halt uns auf dem laufenden, auch wenn es traurige Post ist, manchmal kommt einem doch erst auch beim schreiben die Erkenntnis....!!!!

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    1. Ich bin immer noch nicht beim ZumTeufelJagen angekommen. It`s a long way to Tipperary. Und ja, es ist schrecklich für mich. Und um mich herum schallt es von nah und fern: Jag` ihn vom Hof.

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