Samstag, 25. Juli 2020

Ferienpost

Liebe Annika,

wie geht es Dir? Mir geht es gut. 
So habe ich schon als Kind gern meine Briefe angefangen und dann wusste ich nicht mehr weiter. 
Gut, Ferienpost ließ dann noch Text zum Thema Wetter und Unterkunft und Verpflegung zu.
Das Wetter ist gut. Ich wohne schön. Das Essen ist lecker. Und dann gab es noch liebe Grüße und fertig war`s. 

Was hast Du für ein Glück, dass meine Ferienbriefe heutzutage ein kleines bisschen anders sind. Zumindest sind sie etwas detailreicher. Also los: Das Wetter ist genau so, wie ich es mir von ganzem Herzen gewünscht habe. Die Quecksilbersäule nähert sich nicht dem 30er-Strich, es regnet zwischendurch, der Himmel lässt keine Blau-Langeweile aufkommen. Das Wetter ist perfekt.Jeden Regentropfen heiße ich Willkommen. 

Wie Du weißt, muss ich jeden Tag in den Wald gehen. Der Hund hat sich schon als Kleinkindhund angewöhnt, ausschließlich in den Wald zu kacken, darum ist das für mich ein Muss. Seit bald 12 Jahren sehe ich jeden Tag die Bäume, Sträucher, Farne, Fingerhüte, wilde Kirschen, Ameisenhügel, hin und wieder Wildschweine, das ein oder andere Reh. 
Es war sehr verlässlich im Wald. Ich wusste, was mich dort erwartete. Ich kannte im Grunde jeden Baum. Nach den vergangenen drei Sommern aber hat sich der Wald verändert. Die Bäume, Annika, sie sterben. Ich schaue ihnen beim Sterben zu. In diesem Jahr ist es traurig im Wald. Bedrohlich und furchteinflößend und absolut traurig. 
Die Nadelbäume geben auf. Man kann es riechen, sie riechen anders als sonst. Es riecht viel harziger. Der Waldboden ist ganz fedrig von den Millionenmillarden Nadeln, die von den Bäumen herunterrieseln. Es macht ein ganz leises wisperndes Geräusch, wenn sie herunterfallen und auf den Boden treffen. Übrig bleiben braungraue Gerippe. Einen Baum, der an besonderer Stelle stand, an dem ich oft vorbei ging, dem ich meine Hand wie oft auf die Rinde gelegt und dabei gedacht habe: Wenigstens du bist verlässlich, bist da, bleibst da! steht nun aller Nadeln beraubt und stirbt. 




Zu wenig Regen. Zu viel Borkenkäfer. Die stattlichen Riesen sterben. Und darum jubele ich für jeden Regentropfen. Als die Kinder noch klein waren und wir drei Kindergeburtstage pro Jahr feiern durften (ich sage das mit einem leicht hysterischen Unterton, ein Nachbeben all der gefeierten Partys am Rande der Hölle), machte ich gern Partys im Wald. Schatzsuchen waren sehr beliebt. Und an einer Stelle im Wald war ein perfekter Platz für Schätze. Es gab dunkles, saftig-weiches Moos, kleine Hügel, hohe Kiefern, Tannen und Fichten, es war ein verwunschenes Zwergen- und Feenreich. Hutzeli und Putzeli lebten dort und versteckten ihre süßen Schätze, teilten sie aber gern mit Geburtstagskindern. Und wenn man einmal nicht schreiend zwischen Bäumen rannte, sondern ganz still stand und lauschte, hörte man in der Ferne ein Bächlein rauschen und in der Nähe die Zwerge leise schmatzen.Und heute? Heute sieht es dort so aus:




Es bricht mir das Herz. Und es zeigt die Realität, den Klimawandel, die Welt, die sich verändert. Angsteinflößend.

Und die Ferienunterkunft? Die ist zuhause. Ich bin hier, schön im Rheinisch-Bergischen Kreis, habe ein sehr bequemes Bett und ein optimals Kopfkissen. Ich mag Ferien zuhause. Das Personal ist höflich, weil ich mir einen Artikel zum Thema Selbstfürsorge durchgelesen habe. Höflich zu sich selbst sein, weil man sein eigenes Personal ist, das ist nicht immer einfach. Aber im Augenblick klappt es gut. 

Das Essen schmeckt. Ich beweihräuchere mich einfach mal selbst. Weißt Du, wenn Du näher wohnen würdest, hättest Du schon längst die Erfahrung machen können. Ich kann kochen. Lecker kochen. Und am Liebesten für Menschen, die es zu schätzen wissen. Meine Schwester zum Beispiel. Wenn ich für sie koche, dann haut sie rein, bis der Ranzen spannt. Gemeinsam wird schnabuliert, bis kurz vorm Platzen. Ein riesig großer Spaß. 
Sie hat übrigens eine Küchenmaschine, auf die man einen Nudelaufsatz schrauben kann. Und diesen Nudelaufsatz hat sie sich gekauft. Jetzt ist es aber so, dass ich die gleiche Küchenmaschine habe. Ich habe einen Aufsatz für Spritzgebäck und Würstchen. Jetzt wollte ich unbedingt Nudeln machen. Darum habe ich mir ihren Nudelaufsatz geliehen. Erst habe ich Fettuccini gemacht, dann Spaghetti und als Drittes Tortellini. Und natürlich habe ich bei Spaghetti und Tortellini meine Schwester zum Essen eingeladen. 
Es war sehr, sehr lecker. Tortellini mit Käsefüllung. Aber auch ein bisschen sehr, sehr viel Arbeit. Egal. 
Ich überlege jeden Tag, wie die Chancen stehen, dass sie vergisst, dass der Nudelaufsatz eigentlich ihr gehört. Ob sie demnächst kommt und sagt: „Gib mir mein Nudelmoped zurück!“ Und wie ich dann reagieren soll.
„Nudelwas? Was ist das? Ich kenne so etwas nicht.“ 
Oder „Habe ich dir schon längstens zurückgegeben.“ 
Nächste Woche mache ich noch mal Fettucini. Mit einer Pilzrahmsoße. Da habe ich so einen Appetit drauf.

Meine Ferienaktivitäten finden sowieso im Moment viel in der Küche statt. Am Ufer der Agger, wo ich herumliege, Stromschnellen beobachte, Eisvögel bei der Jagd beobachte, Prachtlibellen und Schmetterlinge bewundere und Menschen mit Gummibooten belächle oder eben in der Küche. Dort koche ich Marmeladen. Letztes Jahr war ich so hitzeglähmt, da konnte ich mich kaum bewegen. Dieses Jahr habe ich ein Gelee von Sommeräpfeln gekocht, eines von Himbeeren und Wassermelone und eine Aprikosen-Pfirsich-Zitronenmarmelade. Bald möchte ich noch Mirabellen zu Marmelade verarbeiten. Und Pflaumen, denn der ungepflegte Pflaumenbaum im Vorgarten eskaliert dieses Jahr. Auf Erdbeermarmelade habe ich dieses Jahr keinen Bock. Ach, und Zucchini habe ich eingelegt. 
Hatte ich Dir schon von meinem Beet im Garten erzählt? Nicht? 

Da habe ich vier Zucchinipflanzen reingesetzt. Obwohl sie sehr eng stehen, gedeihen sie gut. Und machen einen guten Job. Einen wirklich guten Job (wieder zuviel über Donald Trump gelesen, da färbt machmal was ab).
Ich habe also viele Zucchini und die habe ich mit Zwiebeln und Knoblauch und Kräutern und Essig eingekocht. Die eine Zucchini war ein bisschen groß, ein rechter Prügel, bei ihr ist Schale hart und wenn man draufbeißt, dann quietscht sie. Ist aber trotzdem ein Erfolg, die Familie mag das Quietschen. 

Ich hoffe, Du genießt die Sommerzeit ebenfalls. Und den Regen. Die Kühle. 
Welche Marmelade magst Du am Liebesten? Soll ich Dir mal eine kochen? Möglicherweise lindert Marmelade auch Zukunftsangst.

Liebste Feriengrüße,
Deine Lavendel

2 Kommentare:

  1. Liebe Lavendel,
    ich mag selbst gemachte Nudeln und Marmelade. Ich wäre sicherlich irgendwie auch fast ein toller Gast. Aber nur fast, ich weiß.
    Hier gibt es sowieso kaum Bäume, da bekommt man das Waldsterben gar nicht so mit. Und Hitzewellen gibt es hier auch nicht. Jedenfalls nicht dieses Jahr. Überhaupt ist hier der Sommer nur knapp und kurz vorbeigekommen aber was ist dieses Jahr schon wie es soll....
    Nix

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Lavendel,
      Hedi ist wirklich ein toller Gast, ich kann's bezeugen ;)

      Löschen