Freitag, 10. Juli 2020

Amerika?

Annika, Annika, Annika,

bitte nicht nach Amerika! Das ist doch viel zu gefährlich dort. Und am Ende müsstest Du dort bleiben, in dem Land, das ein gemeingefährliches Kaschperle als Chef engagiert hat. Du bekämst dort sicher das Virus. Es würde Dich vielleicht nicht töten, aber es würde Dich quälen und Du müsstest zum Arzt, Deine Versicherung würde Dich ruinieren, Du würdest von irgendwelchem Möchtegern-Sicherheitspersonal zu Boden gepresst und trotz Gnadegeflehe zerquetscht. Möglicherweise würdest Du aber auch an einem Steak ersticken. Amerika ist heutzutage ein saumäßig gefährliches Pflaster. Da kannst Du besser nachts um drei durch Köln Chorweiler laufen.

Darum bin ich sehr froh, dass Deine Freundin sich am Riemen gerissen und ihre Gesundung eingeleitet hat. Sprich ihr bitte meinen tiefen Dank aus. Denn das Allergefährlichste habe ich noch nicht erwähnt. Den Flug. Über ein riesiges Wasser. Ein sehr tiefes Wasser. Tu das nicht. 10.000 Meter hoch in der Luft und unter Dir nur wenige Zentimeter Blech. Das ist doch völliger Quatsch. Der Mensch ist nicht gemacht zum Fliegen. Sonst hätte er Federn. 

Und ja, bei Flugangst macht mir keiner etwas vor. Als es noch nicht völlig verpönt war, Inlandsflüge zu buchen und meine Schwester noch in Berlin wohnte, quasi bei Dir ums Eck, da habe ich hin und wieder, selten, meine Flugangst mit mir konfrontiert. Die Flugangst saß dann immer ganz lässig im Sessel, lächelte mich an und versicherte mir, mich nicht allein zu lassen. Stieg mit mir ins Fluggerät und krallte sich bei jedem Hoppeln in meine Herzkranzgefäße. Ein Flug hat mich im Schnitt 4 Jahre altern lassen, pro Stunde. Wenn ich ausstieg aus der Blechkiste, fühlte ich mich immer so, als hätte ich die ganze Strecke über mit den Flügeln geschlagen und das komplette Flugzeug von Köln nach Berlin getragen. Jeder Muskel tat mir weh. Unfassbar anstrengend.

Ja. Ich bin ein Weichei. In mancher Hinsicht. Und wer mir am Herzen liegt, wird in meine Weicheiigkeit einbezogen. Und um den mache ich mir Sorgen. Und die Bewohner meines Herzens sollen deshalb auch nicht fliegen. Das Wolkenköpfchen möchte nächstes Jahr etwas Zeit auf Bali verbringen. Kannst Du Dir meine Qualen vorstellen? Noch kein Flug gebucht und ich mache mich schon nass. Schlimm, sowas. Und Du darfst deshalb auch nur dann Fliegen, wenn es wirklich keine Alternative gibt. Und sprich mich bitte vorher an, sag Bescheid, damit ich entsprechende abergläubische Kerzen anzünden, pendeln und Lobpreisungen singen kann. Danke.

Ich habe mir die Zeit, die Dir soviel Furcht brachte, mit Frauenleiden vertrieben. Das war auch nicht witzig, aber sicher viel besser als eine Gallenblase mit der Tendenz zum Platzen. Denn erfreulicherweise half bei mir Ibuprofen, zum Morphin musste ich nicht greifen. Nur nach drei Tagen Ibuprofen war dann ein bisschen was für den Magen fällig.

Weißt Du, ich hatte mich schon gefreut und dachte, die Zeit des Herummenstruierens sei jetzt langsam am Ende angekommen. Ich hatte nach 21 Tagen nichts, nach 25 Tagen auch nicht. Es folgten die Tage 30 bis 35 und nichts passierte. An Tag 38 knallte es in meiner Gebärmutter und ich bekam das gezeigt, was man eine Harke nennt. Übel. Ich muss Dir sicher nicht beschreiben, was mich ereilte. Am Liebsten hätte ich mir einen Korken eingeschraubt, wäre aber unphysiologisch gewesen, denn die Gebärmutterschleimhaut muss ja raus. Aber doch bitte nicht so, als … ach, vergiss es. 

Gleichzeitig ereilte mich ein Kopfschmerz, von dem ich dachte, er könnte das Symptom meines nahenden Endes sein. Und Krämpfe. Unterleibskrämpfe. Mitten in der Nacht dachte ich, Momentemol, das kenne ich doch. Das hatte ich schon dreimal und anschließend lag ein Baby in meinem Arm. Ich sinnierte im Halbschlaf vor mich hin, ob ich wohl eine komplette Schwangerschaft verbaselt haben könnte und sich nun eine Geburt anbahnte, die ich so nicht erwartet hatte. Gibt es ja. Gleichzeitig überlegte ich, ob der heilige Geist vorbeigeschaut haben könnte. Anders hätte sich eine Schwangerschaft nämlich nicht logisch erklären lassen. Ich erinnerte mich an das Veratmen von Schmerz und atmete tief in den Bauch hinein. Irgendwann bin ich über all dem eingeschlafen. Ich vermute, die Tablette war nicht unbeteiligt daran. Am nächsten Morgen, der drei Stunden später war, machte ich weiter damit. Tablettchen, atmen, das ganze Programm. Dazu regelmäßig hektische Badbesuche. Heute, an Tag vier des Dramas, hatte ich dann Magenweh von den ganzen Pillen.

Ja, es ist nicht tödlich. Nicht mal potentiell tödlich. Null Komma gar nicht. Aber ganz ehrlich, ich habe keine Geduld mehr mit solchen Ausflippern. Schon in der Pubertät fand ich Menstruieren nicht die prickelndste Zeit des Monats. Und nach 35 Jahren ist es doch gut. Meine Güte.

Schön, wenn man sich über so ein Pillepalle aufregen kann.

Wunderbar verregnete Grüße aus Pillepalllehausen,

Deine Lavendel



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