Montag, 8. Februar 2021

Heyho, let`s go!

 Gut, ich war mit meiner Antwort nun auch nicht schneller, 

Meine liebe Annika.

Weil einfach so viel passiert, hier, in der Lavendelheimat. Stell Dir vor, die Brotspinne ist nur noch im Handy. Du fragst Dich bestimmt, was das zu bedeuten hat. Das bedeutet, im echten Leben, in der Realität sehen die beiden Turteltauben sich nicht mehr. Zum Jahreswechsel wurde mir das Ende der Affäre kundgetan. Trommeln und Trompeten. Tö.Rö. 

Es dauerte dann zwar noch zwei Wochen, bis es sich endgültig erledigte und die zwei Herzblättchen genug Abschied von einander genommen hatten, aber schließlich war es soweit. Die letzte Übernachtung, das letzte Treffen, der letzte Sex. Seitdem ist er jeden Tag zuhause. 

Und warum wohnt die Brotspinne jetzt im Handy? Weil die Affärenkumpanen immer noch schreiben. Denn sie haben sich ja nicht im Streit getrennt. Und warum haben sie sich überhaupt getrennt? Weil ich sehr glaubhaft mitteilte, dass ich im Haus bleibe, mein Leben weitergeht, ich Spaß und Freude am Leben haben werde und er sich nach einer anderen Bleibe umschauen soll. Das war der Moment der Bewusstwerdung. Dass er nun sein Zuhause in die Tonne kloppt, um eine noch nicht mal ganz 30 Jahre alte Brotspinne zu pimpern, die wohl hin und wieder rumzickt. 

Das wollte er dann doch nicht. Musste ihm aber erst einmal klar werden, dass es fünf Sekündchen vor Feierabend war. Jetzt ist hier alles ein Hin und Her. Gibt es noch Liebe? Gibt es keine Liebe? Wo stehe ich? Wo steht er? Wo will wer wie hin? Etwas erschöpfend, das Ganze. 

Aber nicht mehr so ausufernd, denn, meine beste Annika, ich habe ja einen weiteren Auftrag im Leben. Ich gehöre jetzt wieder zur sozialversicherungspflichtig arbeitenden Gesellschaft. Seit nun über einer Woche gehe ich jeden Tag in die große Stadt und stelle mich den Herausforderungen. Kein Minijob, wie bisher in den letzten 25 Jahren. Nein, ein echter Halbtagsjob. Den Minijob habe ich auch noch, darum habe ich einen Dreivierteljob. Und bin auf dem Weg in eine große Unabhängigkeit. 

Ich. Bin. So. Cool. Wollte ich nur mal gesagt haben. Denn abgesehen davon, dass ich nicht mehr in Existenzängsten zu versinken brauche, bekomme ich auch von meinem neuen Chef Freitagnachmittag Nachrichten, in denen er sich bei mir für die tolle erste Woche bedankt. Weil ich schlau bin. Und eloquent. Und die Ruhe weg habe. Freundlich bin. Mit Computern umgehen kann. Programme im Schnellverfahren in den Griff bekomme. Ich surfe gerade auf einer wunderschönen Welle der Selbstverliebtheit und Überheblichkeit. Das ist vermutlich nicht sehr angenehm für meine direkte Umgebung. Aber das ist egal. Es ist, wie es ist. Und ich weine auch nur noch einmal die Woche. Nicht mehr mit Schüttelkrämpfen verbunden. So ein leises Schluchzen. Meist ist es nach einer Stunde schon wieder vorbei. 

Ich würde nicht sagen, so, das war es jetzt. Alles fein, mein Leben im Griff, ich bin ein stabiles Genie. Aber ich würde sagen, meine Füße sind auf dem Boden, der Boden ist fest und ich gehe Schritt für Schritt. 

Und sonst? Na, das berichte ich Dir, wenn ich mein Gehirn nicht abends um 10 noch dazu nötige, zu denken. Jetzt habe ich nämlich schon so ein flirrendes Gefühl hinter den Augen. Und einen fiesen Geschmack nach Zwiebel im Mund, weil ich Schalotten im Salat hatte. Ich muss jetzt Zähne putzen und dann ins Bett. Morgen muss ich nämlich uff Arbeet. Wie so echte Leute. 

Grüße und Küsse von Deiner Lavendel


P.S.: Ich erstelle eine Zusammenfassung, was in einem halben Jahr alles passieren kann. Möchtest Du das wissen? Wie oft man an Zigaretten denkt, in einer Krise? Wie viele Taschentücher man verschneuzt? Wie oft man vom Weinen brechen muss? Wie der Versuch, Alkohol zu trinken verläuft? Ich mache eine Statistik und erarbeite eine Übersicht. Ich schicke sie Dir gern.


4 Kommentare:

  1. Ja, das hätte ich auch empfohlen; zusammensetzen, Modalitäten klären, mit den Kindern. Nicht um Parteien zu bilden - aber es geht ja auch um den Verbleib deren Elternhauses oder deren Erbe, bei wem bleibt ein Kind, das noch im Haushalt lebt, wer nimmt den Hund etc. Gelegentlich steigt dann der in die Hose gerutschte Verstand wieder ins Hirn. Das Weitere kann nur die Zukunft zeigen.
    Alles Gute für Ihre Arbeit, Ihr Selbstbewusstsein und bleiben Sie gesund!

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    1. Es ist in allem Unglück doch ein Glück, dass keiner von uns Fronten bilden will. Dass wir zusammen Lösungen suchen.
      Es erfordert viel aber es lohnt sich.
      Danke für die guten Wünsche

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  2. "Und bin auf dem Weg in eine große Unabhängigkeit."
    Prima. Daumendrück.

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    1. Vielen Dank. Gedrückte Daumen werden immer gern genommen.

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